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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Gottes und der Briefwechsel mit anderen Ländern. Wir sollten aber von hier schnell wieder verschwinden, weil man uns hier nicht gerne sieht – du verstehst?» Ich nickte, und sogleich verließen wir den Saal durch eine der Türen und standen bald im nächsten. Dieser war ganz anders ausgestattet. Sechzehn Säulen, gleichmäßig auf den ganzen Raum verteilt, trugen in einer Höhe von vielleicht fünfzehn Ellen eine Decke mit schweren Holzbalken aus Zedernholz. Wie so oft waren die weißen Säulen über und über mit heiligen Zeichen beschriftet und endeten unter der Decke als geöffnete, dunkelgrüne Lotosblüten. In der Mitte der Decke spendete eine quadratische Öffnung Licht, das sich auf einen darunter stehenden Tisch ergoss. In den Ecken des Raumes standen dreibeinige Opferschalen mit glühender Kohle und verströmten den heiligen und betörenden Duft von Weihrauch. Auf dem Tisch selbst war eine karge Landschaft in ihrer natürlichen Form nachgebaut. Ich sah ein Gebirgsmassiv, dessen größte Erhebung der Form einer Pyramide glich. An seinem Fuß weitete sich ein Tal, dessen Ende eng zulief und so einen natürlichen torartigen Zugang bildete. Abseits von diesem Tal war eine kleine Siedlung aufgebaut, viele kleine, weiße Arbeiterhäuser, Mauer an Mauer, wie man sie in allen Vorstädten unseres Landes sieht.
    Eine Papyrusrolle lag daneben ausgebreitet, an beiden Enden mit einem faustgroßen heiligen Käfer aus Elfenbein beschwert, damit sie sich nicht einrollte. Darauf war ein Plan eingezeichnet, den ich nicht verstand: Gänge, teils gerade, teilsabknickend, quadratische und rechteckige Räume, einer mit zwei, der vorletzte mit sechs Säulen bestückt.
    Prinz Amenophis stand eine Weile schweigend neben mir. «Der Gipfel dort heißt ‹Sie, die das Schweigen liebt›», flüsterte er betont langsam und würdevoll vor sich hin, während er mit dem rechten Zeigefinger in die Mitte des Tisches wies. Ich verstand gar nichts.
    «Es ist der höchste Berg im westlichen Horizont, am Begräbnisort der Könige, bei Waset, der Hauptstadt des Südens», flüsterte er weiter.
    «Aber warum ist das hier nachgebildet?», wollte ich wissen.
    «Mein Vater bereitet seit Jahren seine Grabstätte vor, wie das jeder König tut, schon immer. Wenn nicht alles genau geplant und nach den Vorschriften ausgeführt wird, kann der Gute Gott nicht Osiris werden und in Ewigkeit weiterleben!»
    Er wies auf den Plan und fuhr fort: «Jeder Raum, jede Säule, jedes Bild, ja sogar die einzelnen Schriftzeichen haben ihre besondere Bedeutung und dürfen nicht fehlen oder falsch sein. Darüber werden wir aber im Unterricht noch einiges erfahren.»
    «Warum ist das auch für mich wichtig, wo ich doch kein Prinz bin?», wollte ich wissen.
    «Weil es kaum möglich sein dürfte, dass nur Prinzen die Gräber ihrer Väter errichten und die Arbeiter beaufsichtigen. Da brauchen wir schon ein paar andere kluge Köpfe dazu. Aber die Planung der Begräbnisstätte selbst ist Sache des Guten Gottes.»
    Ich warf noch einen kurzen Blick auf die kleine Landschaft, als ich bemerkte, dass der Prinz schon weitergegangen war.
    Ich wusste von meinem Vater, dass man den Toten die verschiedensten Dinge mit in ihr Grab gab, von Nahrungsmitteln über Möbel, Waffen und Salbölen bis hin zu 365 kleinen Arbeiterfiguren, eine für jeden Tag des Jahres.
    «Weiß der Gute Gott denn auch schon, was er auf seine Reise jenseits des Horizontes mitnehmen wird?»
    «Ja», bestätigte Prinz Amenophis nach kurzem Überlegen, «die meisten Gegenstände stehen schon fest. Vieles befindet sich in geheimen Räumen, die strengstens bewacht werden. Manches wird aber auch vom Thronfolger oder der Großen königlichen Gemahlin, dem Wesir oder engsten Vertrauten des Königs ausgesucht.»
    Nachdem wir erneut einen fast unendlich langen offenen Gang durchschritten hatten, gelangten wir in einen überwältigend schönen Garten. Sykomoren, Olivensträucher, Akazien, Granatapfelbäume und Palmen wechselten sich hier mit Teichen und Beeten, bepflanzt mit den herrlichsten Blumen, ab. Dichte, mehr als fünf Ellen hohe Hibiskushecken teilten den Park in verschiedene Abteilungen, und jede von ihnen war von einer anderen Farbe beherrscht. So überwogen in der einen gelb blühende Blumen und Sträucher, in der nächsten weiße und wieder in einer anderen ein knallendes Rot, wie die Blüten des Hibiskus selbst. Dazwischen führten schlängelnde Kieswege vorbei an Bäumen, Teichen, Gartenhäusern, die man

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