Im Land des Falkengottes. Amenophis
auf diese sonst so farblose Stadt abzufärben, Majestät», setzte Acha nach.
«Und wenn du den Rest deiner Regierungszeit hier verbringen würdest, Nimuria, Men-nefer würde nie werden wie Waset», fügte ich noch an.
«Ihr seid alle ungerecht», sagte Teje. «Haben wir früher nicht auch gerne und gut hier gelebt? Wenn ich euch so ansehe, macht ihr alle einen recht zufriedenen Eindruck. Was versprecht ihr euch denn von Waset? Glaubt ihr, dass wir dort Tag für Tag ein Fest nach dem anderen feiern? Auch dort wird es einen Alltag mit unangenehmen und lästigen Arbeiten geben.»
«Du magst Recht haben, Teje. Doch die Menschen in Waset sind fröhlicher, die Stadt und ihre Tempel sind prächtiger, und der Palast, den ich errichten werde, wird alles andere verblassen lassen. Jeden Morgen werden wir nach Osten in die aufgehende Sonne und auf die schönste Stadt des Landes schauen, und wir werden von diesem Anblick nicht genug bekommen.»
Während des Essens erteilte Amenophis die letzten uns betreffenden Anweisungen für die bevorstehende Abfahrt und die Reise.
«Denkt daran, dass ihr alles mit euch nehmt, was euch lieb ist. Wer weiß, wann ihr Men-nefer wiedersehen werdet», mahnte uns Ameni.
Nimuria erzählte Merit und Iset an diesem Abend, wie wir uns kennen gelernt hatten und wie ich wenige Schritte vom Schattenhaus entfernt zum ersten Mal seinem Vater, Osiris Thutmosis Men-chepru-Re, begegnet war. Amenophis bewies dabei ein erstaunliches Gedächtnis und gab kleine Begebenheitenzum Besten, die mir längst entfallen waren. Dann blickte er traurig nach Osten und hielt in seinen Erzählungen inne.
«Ist Euch etwas, Majestät?», unterbrach Iset die Stille, und es schien, als hätte sie Nimuria aus einem Traum gerissen, welcher ihn weit, weit entfernt hatte.
«Nein, Iset», antwortete Pharao.
«Mir fiel dort nur ein Ölstrauch auf, welcher vor drei Jahren noch nicht dort stand.»
Teje und ich sahen schweigend zu Boden, denn nur wir beide wussten, dass dort einst die Mauern des kleinen Amuntempels die Geschwister Nimurias unter sich begraben hatten.
Das Beladen der Schiffe dauerte bereits den ganzen Tag. Soldaten aus der Division des Ptah bildeten vom Palast bis hinunter zum Hafen ein dichtes Spalier, sodass kein Mensch den königlichen Schätzen, und all den anderen Gegenständen, die zum Hafen gebracht wurden, auch nur eine Elle zu nahe kommen konnte. Kostbare, in Tücher gehüllte Steinfiguren – es waren Abbildungen verschiedener Gottheiten und Pharaos selbst – waren auf Schlitten gebunden und wurden in Begleitung unaufhörlich betender Priester von mächtigen Stieren gezogen. Dazwischen trugen Sklaven, die von Offizieren der Leibgarde bewacht wurden, an Stangen Holztruhen mit Gold und Edelsteinen, Elefantenzähne und große Stücke von Ebenholz. In Körben schleppten sie kleine Bäume und Sträucher, die Ptahmay aus dem Libanon und ich aus Babylon mitgebracht hatten. Man brachte Kisten ohne Zahl mit Kleidern und unbearbeiteten Stoffen.
Erst am späten Nachmittag lief die königliche Barke in den Hafen ein. Die Menschenmenge verstummte aus Erfurcht vor dem herrlichsten aller Schiffe. Jeder betrachtete still für sich dieses Wunderwerk unserer Schiffsbaukunst. Auch ich sah dieBarke zum ersten Mal. Sie war deutlich länger als alle bisher gebauten Königsschiffe und maß in ihrer ganzen Länge neunzig Ellen. Der Rumpf des Schiffes war vollständig mit Blattgold überzogen. Der Bugsteven endete in einer großen, nach innen zeigenden Papyrusblüte, der Hecksteven in einer Lotusblüte. In der Mitte des Schiffes ragte ein zweistöckiges Bootshaus empor, welches im Blau des Lapislazuli, der Lieblingsfarbe Nimurias, gestrichen war. Am Bug und am Heck gab es zwei überdachte Sitzplätze.
Als die königliche Barke, die den Namen trug «Erschienen in Wahrheit», fest vertäut war, brachten Soldaten der Leibgarde die persönlichen Gegenstände Pharaos auf das Schiff. Der Schiffsbaumeister Meru, der gleichzeitig Kommandant der königlichen Barke war, führte selbst die Oberaufsicht.
Am darauf folgenden Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, zog der gesamte Hofstaat in einer prächtigen Prozession vom Palast zum Großen Tempel des Ptah, unseres Schöpfer- und Fruchtbarkeitsgottes, dessen Wirkungskreis von der Zeugungskraft, den Leben spendenden Eigenschaften des Nilwassers und der Erde bis zur planenden Schöpfung und Ordnung der Welt reicht.
Um allen Bewohnern der Stadt die Macht Pharaos zu zeigen, wurden nur er und
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