Im Land des Falkengottes. Amenophis
Dattelpalmen zeigen ließen. Datteln, die alleine vom Wind befruchtet werden, sind klein, hart und ungenießbar. Deswegen ließ der Alte von seinen Gehilfen reife männliche Blütenstände in den weiblichen Bäumen aufhängen. Der Alte schimpfte immer wieder vor sich hin und drohte seinen Schülern Prügel an, wenn sie nicht so vorgingen, wie er es wollte. Hätte er gewusst, wer gerade einen Steinwurf weit von ihm entfernt saß, er hätte nicht einen einzigen Laut von sich gegeben.
«Es war ganz interessant im Frauenpalast», nahm Ameni unser Gespräch wieder auf.
«Wusstest du, dass ein großer Teil der Leinenbinden, die zum Einbalsamieren der Toten benötigt werden, aus den Frauenpalästen kommt? Hinter der Palastanlage liegen große Hanffelder, und Hunderte Arbeiter waren damit beschäftigt, den Hanf erst auszureißen, dann zu wässern und schließlich zu schlagen und über Nagelbretter zu ziehen. Aus den ganz feinen Fasern spinnen die Frauen Fäden und weben daraus Tuche für Kleider und Totenbinden, aus den gröberen Fäden flechten sie Seile, Stuhl- oder Bettbespannungen.»
«Das wird aber kaum deine wichtigste Entdeckung gewesen sein», unterbrach ich ihn. Ameni biss in eine Feige und zog die Augenbrauen weit nach oben. Dann neigte er seinen Kopf weiter zu mir und sagte hinter seiner vorgehaltenen rechten Hand, in welcher er die andere Hälfte der Feige hielt:
«Ich war immer der Meinung gewesen, die Frauen, welche sich dort seit der Regierungszeit meines Großvaters und meines Vaters aufhielten, müssten alle alt und unansehnlich sein. Aber nein, Eje! Es sind einige derart atemberaubende Schönheiten unter ihnen, dass Isis und Nephthys vor Neid erblassen würden! Eine von ihnen, sie ist die Tochter irgendeines syrischen Fürsten, habe ich seither schon zweimal besucht.» Während sich unsere Blicke kurz trafen, verschwand die andere Hälfte der Feige in seinem Mund. Ich schluckte ebenfalls.
«Und Teje?», wiederholte ich die bereits gestellte Frage. Amenophis wurde etwas verlegen.
«Sie zog sich für einige Tage in ihre eigenen Gemächer zurück, dein Vater hatte in der Zwischenzeit mit ihr gesprochen. Wenn auch widerwillig, scheint sie dieses Vorrecht Pharaos jetzt doch anzuerkennen. Letztlich weiß sie auch, dass sie meine einzige Liebe ist. Das andere ist reine Ablenkung, nur ein körperliches Vergnügen – nicht mehr als Bogenschießen!»
Er wurde so erzogen, und er hatte wohl auch Recht. Zwei Stunden im Frauenpalast waren für ihn nichts anderes als Bogenschießen:Kräfte messen, Männlichkeit unter Beweis stellen und dabei richtig Vergnügen haben. Nicht umsonst lautete einer seiner Titel «Starker Stier».
Ich hatte deswegen auch gar nicht die Absicht, seine Bemerkungen zu kommentieren, sondern lächelte ihn nur bewundernd an. Es war sogar ehrliche Bewunderung.
Die drückende Hitze im Hafen war unerträglich.
Es war die Zeit vor der Nilschwemme, und der Fluss war nur noch ein Rinnsal, wo er sonst nahezu zweitausend Ellen breit ist. Jedermann lebte von den letzten Vorräten, die er sorgsam aus den Winkeln seiner Küche zusammensuchte. Viele der Ärmeren waren ganz auf die Hilfe Pharaos angewiesen. Es war der strengen Lagerverwaltung Mahus zu verdanken, dass dennoch alle versorgt werden konnten und es im Gau von Men-nefer noch nicht zu Übergriffen gekommen war.
Ein halbes Jahr war seit meiner Rückkehr vom Euphrat vergangen. Alle arbeiteten an den Vorbereitungen für den großen Umzug des Hofes nach Waset.
Gemeinsam mit Wenamun, dem Vorsteher der Arbeiten im Steinbruch von Tura, ging ich die unendlich langen Listen durch, in welcher jeder einzelne Sandsteinblock aufgeführt war. Bis vor wenigen Wochen, als der Fluss noch genug Wasser führte, brachten die Lastkähne ihre wertvolle Fracht Tag für Tag nach Waset. Amenophis, Sohn des Hapu, forderte mehr, immer mehr. Jeder seiner Wünsche erhielt das königliche Siegel und verließ anderntags als ein Befehl Pharaos den Palast.
So standen Wenamun und ich mit unseren Schreibern im gleißenden Licht der Nachmittagssonne und prüften, wie viele Blöcke im Hafen noch eingelagert werden konnten, bis die Schiffstransporte wieder einsetzten. Wir alle wussten, dassdas Erscheinen des Sothissternes, der die alljährliche Nilschwemme ankündigt, nicht mehr fern sein konnte. Aber die Meldungen aus Oberägypten über das Ansteigen des Wassers ließen auf sich warten.
Acha, Cheruef und ich mussten verschiedene Male in den Werkstätten der großen
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