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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Würdenträger am ganzen Hofe und der gewissenhafteste Verwalter, den man sich vorstellen konnte. Gleichzeitig bekleidete er das Amt des Aufsehers der Ammen. Spötter witzelten über ihn, er würde sich selbst nach einem Haferkorn auf dem Hof bücken, das einem Pferd beim Fressen aus dem Maul gefallen war, so gewissenhaft, ja geizig sei er. Ich hielt das für eine eher angenehme Eigenschaft, schließlich verwaltete Merire den Schatz des Guten Gottes und nicht seinen eigenen.
    Der Oberste Schatzmeister ließ die Schatulle am Boden abstellen, kniete davor nieder und öffnete den Deckel. Dabeiblickte er verstohlen über seine rechte Schulter zu uns nach hinten, gerade so, als wolle er verhindern, dass jemand einen unerlaubten Blick in die Schatulle riskiert.
    «Oh, was haben wir denn da Schönes», brummte Merire vor sich hin, drehte sich blitzschnell um und hielt den schönsten Prunkkragen in seinen Händen, den ich jemals sah. Mit tänzelndem Schritt ging er auf Amenophis zu, verneigte sich kurz und legte ihm das Schmuckstück um den Hals. Kaum war dies geschehen, kniete er erneut vor seiner Truhe und hielt dann zwei goldene Armreife in seinen Händen, die für die Oberarme des künftigen Herrschers bestimmt waren. «Oh Majestät, wenn Ihr noch mehr wollt, bin ich mein Amt los – dann gibt es nämlich bald nichts mehr zu verwalten!»
    «Na, na, Merire! Ist es schon so weit?», fragte Ameni mit breitem Grinsen, wissend, dass Merire den größten Schatz verwaltete, den ein König dieser Welt besitzen konnte.
    «Ein kleines Stück, Majestät, hätte ich noch.»
    Er öffnete seine rechte Hand, und es kam ein prächtiger Siegelring aus Elektron zum Vorschein.
    «Merire, deine Freigiebigkeit kennt keine Grenzen. Wir werden uns bald zu einer großen Expedition aufmachen, um deine geplünderten Schatzkammern wieder zu füllen», tröstete ihn Ameni, während er sich den Ring ansteckte. Ein geschmeichelter und sichtlich glücklicher Merire verließ daraufhin mit seinen Begleitern den Raum.
    «Weißt du was, Eje, ich habe fürchterlichen Hunger. Wir müssen jetzt etwas essen, und zwar ganz schnell.»
    «Und ganz viel   …», fügte ich lachend an.
    Im Speisezimmer war bereits alles vorbereitet, wir konnten gleich beginnen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe mir auffiel, was an diesem Tag anders war als bei meinem ersten Besuch: Wir bekamen Rotwein und wurden von einer deutlich größeren Dienerschaft umgeben. Ich hatte noch nie vorher in meinemLeben Wein getrunken, und so war es wohl gut, dass Mutwemwia und meine Mutter zu uns kamen.
    «Ihr solltet heute aber nicht mehr als zwei Becher davon trinken», ermahnte uns die Königin.
    «Der Rotwein war auch nur dazu gedacht, dass ihr heute Nacht gut schlafen könnt und nicht vor Aufregung wach bleibt», ergänzte meine Mutter.
    «Schade», meinte Ameni, «man könnte sich daran gewöhnen. Der Wein schmeckt viel besser als die Fruchtsäfte, die wir bisher immer zu trinken bekamen.»
    Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass mein Freund von diesem Tage an immer öfter Wein trinken würde, manchmal auch etwas reichlich. Aber wer wollte es Pharao verbieten? Wer wollte ihm überhaupt etwas verbieten? Ich dachte zum ersten Mal darüber nach, wie weit ich eines Tages in meiner Kritik an Amenophis würde gehen dürfen. Durfte ich ihn überhaupt jemals kritisieren? Oder hatte er mich zu seinem Freund gemacht, damit es überhaupt jemanden gab, der es wagen konnte, ihn zu mahnen, zu verbessern oder zu kritisieren? Mir war bewusst, dass ich es eines Tages wagen musste.
     
    Während wir aßen, wurde in Amenis Schlafzimmer ein zweites Bett aufgestellt. Nachdem man uns endlich alleine gelassen hatte, setzten wir uns mit angewinkelten Beinen in eines der großen Fenster und sahen eine Weile stumm in den Palastgarten und in den Nachthimmel.
    «Darf ich dich etwas fragen, Ameni?», unterbrach ich die Stille.
    «Ja, natürlich!»
    «Aber ich meine etwas sehr Persönliches», setzte ich nach.
    «Ja, ja, nur zu, wir beide sollten keine Geheimnisse voreinander haben!» Ameni meinte es mit dieser Aufforderung sehr ehrlich, er sah mich erwartungsvoll an.
    «Wie war die Beziehung zu deinem Vater? Versteh mich bitte nicht falsch, aber ich würde wahrscheinlich tagelang heulen, wenn mein Vater   …»
    «Ich weiß schon, was du meinst, Eje. Ich glaube, das kann man gar nicht vergleichen. Du hast eben einen Vater zu Hause, mit dem du reden kannst, den du fast täglich siehst, der sich – so gut

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