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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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bis zum Boden reichten. Am ganzen Körper waren sie rasiert und man hatte mir erzählt, dass sie mehrmals täglich badeten, selbst mitten in der Nacht.
    Vor allen Wänden des etwa zwölf Ellen hohen Raumes ragten Figuren der verschiedensten Götter empor, aus unterschiedlichen Steinen gehauen und daher verschiedenfarbig. Zwischen diesen Figuren standen Räuchergefäße mit drei langen, verschränkten Beinen, aus denen unaufhörlich Weihrauch emporstieg, der den ganzen Raum in einen unheimlichen Nebel hüllte. Ich hörte ganz leise in unterschiedlichen Tonlagen das metallische Klirren einiger Handrasseln, der Sistren, und auch den zarten Klang einer Harfe. Dazu murmelten fast alle Priester Gebete und verneigten sich unentwegt rhythmisch mit dem ganzen Oberkörper. Über all diesen Klängen erhob sich eine einzelne weibliche Stimme in einem wunderbaren, gleichmäßig melodischen Gesang, der nicht enden wollte.
    All dies vermittelte mir den Eindruck, als befände ich mich bereits nicht mehr in dieser Welt, sondern bei Osiris im Schönen Westen. Durch eine nur mit einem weißen, fast durchsichtigen Vorhang verdeckte Öffnung gelangten wir in den nächsten Raum.
    Ich erschrak beinahe zu Tode: Da stand er selbst, der Herr des Heiligen Landes, der Bestatter, der schwarze schakalköpfige Gott Anubis!
    Mit einem Weihrauchgefäß umrundete ein Priester mit einer Anubismaske das Bett, auf dem der leblose Körper des Guten Gottes lag. Er war nicht nur hager, wie zu Lebzeiten, nein, er war von seiner Krankheit, die ihn dahingerafft hatte, bis zur Unkenntlichkeit ausgezehrt. Die dünnen, schwarzenHaare waren zur Seite gekämmt, seine Arme über der Brust verschränkt. Er hielt Krummstab und Geißel in den Händen, die Augen waren wie im Schlaf verschlossen.
    Immer wieder ging der Priester-Anubis um Pharao herum, vorbei, an der Großen königlichen Gemahlin Iaret, an Mutemwia und meiner Mutter. Prinz Amenophis, der als Nachfolger seines Vaters alleine am Fußende des Bettes stand, starrte regungslos auf seinen toten Vater, ohne auch nur irgendjemanden zu beachten.
    Unbemerkt von den anderen flüsterte mein Vater mir zu, ich sollte nun genau das gleiche machen wie er. Ruhigen Schrittes ging Vater zunächst auf Ameni zu, hielt etwa sechs Ellen vor ihm, kniete nieder, legte sich sodann der Länge nach auf den Boden und streckte die Arme geradeaus, und blieb so liegen. Ich tat es ihm gleich. Es dauerte eine ganze Weile, bis Ameni mit ruhiger Stimme sagte:
    «Erhebt euch, Juja! Erhebe dich, Eje! Es ist gut, dass du gekommen bist, Eje. Ich danke dir.»
    «Guter Gott und Herr Beider Länder, nicht Ihr habt zu danken. Es ist an uns, Euch für die Gnade, die Ihr meinem Sohn und mir erweist, dankbar zu sein», sprach Vater, und ich war beruhigt, denn mir wären in diesem Moment nicht die passenden Worte eingefallen.
    Ameni schaute mich mit traurigen, verweinten Augen an. Ich musste einfach irgendetwas sagen. Während von draußen noch immer das Klirren der Sistren, der sanfte Klang der Harfe, der gleichmäßige Gesang der Priester und die wunderbare Frauenstimme in das Schlafgemach des toten Pharaos drangen, während hier noch immer der Vorlesepriester mit der schwarzen Maske des Anubis die Totengebete sprach und zwischen all den traurigen Menschen und den Götterstatuen schwere Wolken würzigen Weihrauches fast bewegungslos dahinzogen, gab ich Ameni, meinem Freund, dem künftigenPharao, ein Versprechen, das ich nie während meines langen Lebens auch nur einmal bereuen sollte:
    «Majestät, ich will mich, will mein ganzes Leben in Euren Dienst stellen. Ich werde immer für Euch da sein, wann immer Ihr es wünscht. Ich will jeden Befehl, den Ihr mir gebt, ausführen, so gut ich nur kann. Euer Vater, der Osiris Thutmosis, sei mein Zeuge!»
    Mich überkam jetzt ein Gefühl ungeheuren Stolzes, dass ich den künftigen Herrscher vor allen Großen Ägyptens so ansprechen durfte. Ich wusste aber auch, dass ich etwas gesagt hatte, woran mich Amenophis und alle, die es gehört hatten, ein Leben lang messen würden.
    Für einen kurzen Augenblick erhellten sich die Gesichtszüge des Prinzen. Er fasste mit seinen Händen meine Schultern und drückte mich für einen kurzen Augenblick wie einen Bruder fest an sich. Dann sagte er mit ernstem, ja würdevollem Blick: «Ich weiß, Eje, dass du das tun wirst, und du kannst dir meiner Freundschaft immer gewiss sein.»
     
    Im selben Moment kamen sechs Priester aus dem Vorraum. Sie trugen eine goldene Bahre, die

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