Im Land des Falkengottes. Amenophis
sie neben das Bett des Toten niederlegten. Sie hoben den Leichnam auf die Bahre und brachten ihn, drei Priester links, drei rechts, aus dem Raum.
Der Priester mit der Anubismaske führte den Zug an. Ameni folgte als Erster der Bahre. Im Umdrehen sagte er zu mir: «Du bleibst ab jetzt neben mir, gleich, was passiert. Niemand hat dir einen anders lautenden Befehl zu erteilen.»
Er sagte dies laut und deutlich, und einige der Umstehenden erschraken sichtlich. Ich nickte nur stumm und ging links neben Ameni aus dem Raum, gefolgt von der Großen königlichen Gemahlin Iaret, Mutemwia und meinen Eltern Juja und Tuja.
Während sich im Beratungssaal der Wesir Ptahmose und die anderen Großen des Landes anschlossen, erhob sich imganzen Palast das fürchterliche Geschrei der Klagefrauen. Wie wild kreisten sie mit den Köpfen, rauften sich die Haare, zerkratzten sich mit den Fingernägeln die Haut ihrer Brust, bis das Blut herausfloss. Wir zogen durch den Thronsaal, und auch hier setzte sich das Wehklagen fort. Nur langsam gelangten wir an die große goldene Tür, deren beide Flügel weit offen standen. Im Hof vor dem Thronsaal standen Schulter an Schulter mehrere tausend Soldaten der Leibgarde. Die einzelnen Abteilungen waren durch die verschiedenen Farben genau zu unterscheiden. In der vordersten Reihe standen jeweils die Anführer neben ihren Pferden. In der Mitte des Platzes hielten zwei junge Offiziere die Lieblingspferde des toten Pharaos, die vor dessen goldenen Prunkwagen gespannt waren. Auf der Mitte der Treppe wurde die Bahre abgestellt, umringt von den Großen des Landes. Die Soldaten begannen jetzt, mit ihren Schwertern auf die Schilde zu schlagen, alle gleichzeitig, zuerst langsam, dann immer schneller und lauter, bis schließlich alles in ohrenbetäubendem Lärm unterging. Dann erhob der Priester-Anubis die rechte Hand, und augenblicklich herrschte völlige Stille. Mit lauter Stimme rief er:
«So spricht Thutmosis Men-chepru-Re, der jetzt Osiris wird, zu euch:
Meine Glieder sind Götter,
ich bin gänzlich ein Gott,
kein Glied von mir ist ohne Gott,
ich trete ein als Gott,
und ich komme heraus als Gott,
die Götter werden sich in meinen Leib verwandeln.»
Der Priester-Anubis hob erneut die Hand, und die Soldaten begannen wieder langsam und rhythmisch auf die Schilde zu schlagen, diesmal aber nicht schneller werdend, sondern in stets gleich bleibendem Takt. Die Bahre des Pharaos wurdehochgehoben, und im Rhythmus der Schläge schritt die Prozession die Stufen hinab bis zur Mitte des Platzes, wo nun das Prunkgespann des Guten Gottes vorauszog. Die Bahre wurde nun rechts und links von vier Reihen zu je zehn Soldaten eskortiert.
In den folgenden drei Höfen hielt sich ebenfalls eine Vielzahl von Soldaten und Bediensteten des Palastes auf, alle wehklagend, schreiend oder mit den Schwertern auf die Schilde schlagend. Der Zug erreichte schließlich den großen Torturm, und zum Klang Hunderter Fanfaren wurden die Tore geöffnet. Unzählige Menschen standen auf dem Platz vor dem Palast, und es war so still, als die Bahre durch das Tor getragen wurde, dass man das Knirschen des Sandes unter jedem Schritt der Prozession hören konnte. Plötzlich hob auch hier das Kreischen und Wehklagen der Menschen an, während sich der Zug auf der Prunkallee zum Fluss bewegte. Dort wurde die Bahre auf eine Barke getragen, und unter dem Geschrei all der Menschen, die hier versammelt waren, fuhr das Schiff langsam über den Fluss und brachte den toten Pharao, der jetzt nur in Begleitung des Priester-Anubis und der sechs Träger war, zum anderen Ufer, wo das Reinigungszelt stand. Nur noch schwer war zu erkennen, wie dort die Bahre vom Schiff in das Zelt getragen wurde.
Nach einigen Augenblicken des Schweigens machte unser Zug kehrt und bewegte sich langsam durch die teils schweigende, teils immer noch schreiende und weinende Menge zum Palast zurück. Während des ganzen Weges sprachen Ameni und ich kein Wort. Ich dachte darüber nach, wie es nun weitergehen würde, und hatte doch keine Vorstellung davon, was mich erwarten würde. Ich musste einfach alles auf mich zukommen lassen.
Bereits am nächsten Tag sollte die Thronbesteigung stattfinden. Im Palast zogen sich Ameni und seine Mutter Mutemwia, meine Eltern und ich in den Beratungssaal des Guten Gottes zurück, um die weiteren Schritte zu besprechen.
Mit Mutemwia wurde die weitere Regentschaft abgesprochen, da Ameni als Fünfzehnjähriger noch nicht großjährig war. Um
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