Im Land des Falkengottes. Amenophis
Stirn zu bieten? Morgen wird man mich vielleicht zur Rede stellen, weswegen ich in meinem Garten in Men-nefer den unvollendeten Amuntempel, der meine Geschwister unter sich begrub, wieder einreißen ließ. Und weißt du, was sein wird? Ich sage es dir Eje: Ich werde ihnen versprechen, den Amuntempel in Waset zu vergrößern, neue Tortürme zu bauen und alles, was sie wollen. Aber die Hälfte von alledem werden sie aus ihrem eigenen Tempelschatz bestreiten. Das wird ihnen gar nicht recht sein, aber sie werden nicht anders können, mein Freund.» Er strahlte.
«Weshalb nicht?»
«Weil ich sonst dieses Angebot den Priestern des Ptah, des Re-Harachte oder des Aton unterbreiten werde! Und genau so werde ich es ihnen sagen. Wenn alles fertig ist, dann wird ein großer Teil ihrer Schätze aufgebraucht sein, und den Kronen der Beiden Länder gegenüber wird wieder ein angemessener Ton herrschen! Das wird sein, Eje.»
Amenophis lehnte sich nun zurück, erschöpft, aber zufrieden mit sich selbst. Er trank den Becher in einem Zug leer und goss sich sogleich wieder nach.
«Und wie, glaubst du, wird mein Vater, werde ich es bewerkstelligen können, dir diese Reichtümer zu verschaffen?», fragte ich ungläubig.
«Du wirst weder mein Wesir sein, noch mein Schatzmeister. Auch nicht der Vorsteher meiner Kornspeicher. Du wirst alles sein, sie alle lenken, alle Aufseher beaufsichtigen, alle Verwalter verwalten. Aber niemand soll es merken! Du wirst die Beamten, die du benötigst, aussuchen, sie ausbilden und anweisen, und sie beaufsichtigen. Du wirst deine Untersuchungen über die Überschwemmung des Flusses ausarbeiten und verfeinern. Und vor allem: anwenden. Deine Beamten werden alle Bewässerungsanlagen überprüfen und diejenigen hart bestrafen, die sie verkommen lassen. Sie werden neue Landvermesser ausbilden und losschicken. Sie werden neue Steinbrüche erschließen, Brunnen graben, Landgüter errichten, Schiffe bauen. Du wirst nach Edelsteinen suchen und nach Goldminen. Du wirst andere Länder bereisen lassen, um festzustellen, was sie besitzen und liefern können und was sie von uns wünschen.»
«Aber das haben die Könige vor dir auch getan, Ameni!», hielt ich entgegen.
«Ja, Eje, das haben sie. Aber nicht richtig! Sie haben sich dabei immer auf zu viele Leute verlassen – und auf die verkehrten. Und das wird sich ändern, genau das!»
«Und wer gibt mir die Beamten, die Schreiber, die ich dafür benötige?»
«Die suchst du dir selbst aus, ganz alleine. Aber mit allen Befugnissen. Du kannst schon morgen damit beginnen. Jeder Bewohner dieses Landes, der nicht in meinen unmittelbaren Diensten steht, darf von dir für deine Aufgaben beansprucht werden.»
Es war dunkel und kühl geworden. Ameni klatschte, und gleich erschienen zwei Leibdiener, um ihn in seine Gemächerzu begleiten. Zum Abschied umarmte er mich und drückte mich kräftig an sich. Ich spürte seine ganze Kraft und wusste, dass alles so werden würde, wie er es sagte.
Der andere Tag begann in ganz Waset, wie auch im übrigen Ägypten, mit ein und derselben Zeremonie: Alle Männer nahmen sich die Trauerbärte ab. Wie anders die Menschen gleich aussahen! In den letzten Wochen hatte mich zunehmend das Gefühl beschlichen, als wäre unser Land nur von Fremdländern bewohnt, von Syrern und Babyloniern, die alle Bärte, aber ägyptische Kleider trugen.
Ameni, der ohnehin immer großen Wert auf ein tadelloses Äußeres legte, genoss die Rasur sichtlich. Sein seidenweiches, blauschwarzes Haar war kurz geschnitten, der übrige Körper jetzt von jedem noch so unscheinbaren Haar befreit. An seinen muskulösen Oberarmen trug er zwei goldene Armreife, um seinen Hals hing lediglich eine Kette mit dem Amulett eines Horus-Auges, und an der rechten Hand befand sich der königliche Siegelring. Der blendend weiße Schurz mit seinen vielen Falten saß tadellos. Das Nemes-Tuch und der Stirnreif mit Uräus und Geier ruhten auf ihrem Tragegestell. Amenophis war bester Laune.
Wie fast an jedem Morgen trank Amenophis einen großen Becher Milch und aß ein paar Früchte, mehr brauchte er nicht. Während des kurzen Mahles erschien mein Vater und besprach mit seinem Herrscher die anstehenden Aufgaben. Da in drei Tagen die Thronbesteigung erfolgen sollte, musste viel getan werden. Im Palast und in den Tempeln wimmelte es von Arbeitern und Sklaven, welche die Fußböden reinigten, Wände tünchten, Straßen und Plätze kehrten, die Gärten pflegten und bepflanzten. Aus den
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