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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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die Arme zum Schutz des Toten empor. Unter größter Anstrengung hoben die Arbeiter den Sarg insein ewiges Behältnis, verschlossen und versiegelten es. Um den Sarkophag wurden vier vergoldete Schreine aufgebaut und ebenfalls versiegelt. Schließlich legten Amenophis und Ptahmose um den Schrein kleine Götterfiguren, Räuchergefäße und Ruderblätter. Nachdem alles getan war, verließen wir die Grabkammer, und die Arbeiter mauerten ihren Zugang mit vorbereiteten Ziegeln zu. Amenophis drückte in den feuchten Putz das Siegel der Totenstadt. Unser Weg führte zurück zur ersten Säulenhalle, von wo aus wir vorsichtig den Schacht überquerten. Die Arbeiter warfen das Seil in den Schacht, zogen die Bretter weg und nahmen sie mit. Als wir das Grab verlassen hatten, füllten die Arbeiter den ersten Gang mit Schutt und Geröll auf, vermauerten den Eingang und ließen auch ihn von Amenophis persönlich versiegeln. Zuletzt wurde der Treppenabgang zum Grab mit schweren Steinen und Geröll verschlossen, bis er nicht mehr zu erkennen war.
    Vor dem Grab wurden während unserer Abwesenheit Tische aufgestellt und ein einfaches Totenmahl vorbereitet. Alle nahmen Platz, und schweigend verzehrten wir die mitgebrachten Speisen und Getränke. Die spärlichen Reste vergruben die Arbeiter anschließend in unmittelbarer Nähe des Grabes. Amenophis bestieg die Sänfte, und langsam bewegte sich der schweigende Trauerzug zurück. Am Ausgang des Tales hielten wir nochmals für einige Augenblicke inne und warfen einen letzten Blick zurück in die schreckliche Ödnis. Dann kehrten wir zum Fluss zurück.
     
    Erst am späten Nachmittag erreichten wir den Palast. Amenophis bat darum, den Abend mit mir alleine auf der Terrasse verbringen zu dürfen. Wir saßen unter dem Baldachin, aßen nur Brot, Oliven und einige Stücke gebratene Gans und stillten unseren Durst mit reichlich Bier. Während wir vor Erschöpfung schweigend dasaßen, ging uns gegenüber, hinterdem westlichen Gebirge, in dem das Totental liegt, die rotglühende Sonnenscheibe unter. Mit dem Verschwinden der letzten Strahlen rannen einige Tränen über Amenis Wangen. Ihm wurde nun endgültig bewusst, dass sein Vater und seine Geschwister für immer im schönen Westen bei Osiris weilten und ihm die Herrschaft über die Welt bevorstand.
    «Du musst keine Angst haben, Ameni! Du nicht. Du wirst ein mächtiger Herrscher sein auf dem Thron der Pharaonen, und in Millionen Jahren wird man sich deiner erinnern!» Nachdenklich sah er mich an.
    «Ich weiß, welche Pläne du bereits gefasst hast: Du wirst zuerst die von deinem Vater begonnenen Bauwerke vollenden, die Tempel von Waset vergrößern, neue Tempel errichten, dir selbst ein prächtiges Grab und einen Tempel der Millionen Jahre bauen   …»
    «Und einen Palast, hier in Waset, wie ihn noch niemand gesehen hat», unterbrach mich Amenophis, und sein Blick war jetzt starr auf die andere Seite des Flusses gerichtet. Dann zeigte er mit der linken Hand, in der er seinen goldenen Trinkbecher hielt, über die Brüstung und sagte:
    «Dort, wo du die Einbuchtung im Berg siehst, dort werde ich meinen Palast errichten, damit ihn alle, die in Waset leben, und alle die hierher kommen, sehen können, ungehindert, in seiner ganzen Größe, seiner Pracht. Und dort» – sein Arm schwenkte ein wenig nach rechts   –, «genau in der Mitte zwischen dem Tempel von Pharao Hatschepsut Maat-ka-Re und meinem Palast, werde ich meinen Tempel der Millionen Jahre errichten!»
    Dann wandte er seinen Blick zu mir und sagte: «Und die Reichtümer, die ich dazu benötige, werden mir dein Vater und du besorgen, mein Freund.»
    Ameni bekam große, leuchtende Augen, ich aber einen trockenen Hals.
    «Du und dein Vater, ihr seid dafür wie geschaffen: gründlich, erfinderisch, gewissenhaft und vor allem ehrlich! Niemandem auf dieser Welt, außer euch, kann ich trauen. Alle anderen wollen immer nur die Pharaonen bestehlen: die Großen im Großen, die Kleinen im Kleinen. Die Großen bauen sich Paläste» – und dabei zeigte er wieder auf die Stadt   –, «die Kleinen betrügen die Pharaonen auf ihren Feldern, den Werkstätten und in den Tempeln!»
    Ameni trank einen kräftigen Schluck und fuhr dann, immer heftiger werdend, fort: «Meinst du, ich weiß nicht, was in diesem Land alles passiert? Meinst du, ich weiß nicht, dass mich diese Priester tagtäglich bestehlen und nichts anderes im Kopf haben als ihre eigenen Tempelschätze, um ihren Königen zu trotzen und die

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