Im Land des Falkengottes. Amenophis
umliegenden Gehöften trieb man edelstes Vieh – Stiere, Kälber, Gänse und Wildantilopen – in die Stadt, damit sie dort geschlachtet und ihrFleisch für das große Fest zubereitet wurde. Die königlichen Küchen bereiteten sich ebenso vor wie die Kellermeister und Bierbrauer. Ein Großteil des Weines kam aus der Oase Fajum oder dem Flussdelta, er wurde in mächtigen Amphoren auf Lastschiffen nach Waset gebracht. Das Bier füllten die Brauer ebenfalls in Tonkrüge, die mit nassem Stroh umwickelt waren. Sie wurden nachts auf die Dächer der Häuser und tagsüber in den Schatten gestellt, damit das Bier so kühl wie möglich getrunken werden konnte.
Alle Frauen in Waset griffen zu Nadel und Faden, um die Festkleider vorzubereiten, in den Häusern der Armen ebenso wie in den Palästen und den Wohnungen der Priester.
Meine Schwester Teje erzählte mir, dass in den Frauengemächern durch Frisöre die größte Unruhe gestiftet würde. Jede der edlen Damen wache eifersüchtig darüber, dass ihre Frisur die aufwendigste sei, und doch müssten die Rangverhältnisse dabei genau eingehalten werden. Die Frau des Wesirs Ptahmose könne unmöglich eine aufwendiger geflochtene, prächtigere Perücke tragen als die Große königliche Gemahlin Mutemwia oder als Iaret. Selbst meine Mutter soll gegenüber Teje bemerkt haben, deren Perücke – mit Goldfäden durchwirkt – sei wohl etwas zu gewagt, woraufhin meine Schwester fürs Erste zutiefst beleidigt war.
Da der Tag der Krönung schon seit längerem bekannt war – die Zeit der Trauer beträgt in unserem Land immer siebzig Tage –, haben die ausländischen Vasallen oder ihre Vertreter die Möglichkeit, rechtzeitig zur Krönung zu erscheinen, was dem Fest noch mehr Glanz verleiht.
Wie mir mein Vater erzählte, befinden sich die Ausländer dann in einem bemerkenswerten Zwiespalt. Erscheinen sie in zu großer Prachtentfaltung und mit auffallend kostbaren Geschenken vor Pharao, könnte dies den Eindruck erwecken, sie seien dank ihres Reichtums zu weit größeren Tributzahlungenin der Lage. Ist ihr Auftritt dagegen unauffällig und sind ihre Geschenke bescheiden, könnte es sein, dass sie keine oder keine angemessene Beachtung finden und sich unter ihresgleichen dem Spott aussetzen.
Die Nachmittage der beiden folgenden Tage waren den Zeremonienmeistern des Hofes und den Priestern vorbehalten. An den Vorbereitungen im Tempel des Amun brauchte ich nicht teilzunehmen, da dieser Teil des Krönungsaktes ausschließlich dem Herrscher und den Priestern des Amun vorbehalten war. Ich nutzte diese Zeit, um eigene Erkundungen in Waset durchzuführen. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich mein Schreiber Cheruef und mein Leibwächter, der Nubier Senu. Wie es meinem Rang als «Einziger Freund Pharaos» gebührte, ging Cheruef mit einer Amtsstandarte vor mir her, während sich Senu links von mir hielt und einen Sonnenschirm trug, damit ich der erbarmungslosen Mittagssonne nicht völlig ausgeliefert war.
Ich brauchte mir aber nicht einzubilden, mit diesem Auftritt in Waset Aufsehen zu erregen! Vor jedem, der in Waset auch nur ein bisschen auf sich hielt, marschierte jemand mit einer Standarte, und selbst neben dem einfachsten Schreiber lief ein Sklave mit einem Sonnenschirm. So war Waset.
Waset unterschied sich in vielem von Men-nefer. Waset war lauter, bunter. Und Waset war reicher, unvorstellbar reich.
Die Mode in Waset war der Mode in Men-nefer immer einige Jahre voraus. Die Paläste der Mächtigen und die Häuser der Handwerker waren weitaus prächtiger, als die in Men-nefer, und selbst die Armen waren hier nicht so arm, wie die Armen der nördlichen Schwesterstadt.
Men-nefer war die Stadt der Beamten, der Bedächtigen und Frommen. Waset war die Stadt der Mächtigen, der Helden, der Schönen und Prächtigen. Ja, der Helden. Denn aus Waset kamen die Pharaonen Kamose und Ahmose, die vor vielenJahren in verzweifeltem Kampf die asiatischen Fremdländer aus Unterägypten vertrieben und die die Beiden Länder wieder vereint haben.
So strömten tausend Eindrücke auf mich ein, jeden Augenblick neue. In der Stadt gab es allein drei große Märkte. Unzählige Händler boten unter einfachen Sonnensegeln frisches Obst und Gemüse an, Brot, Fleisch, Geflügel und Fisch. Feinstes Tuch wurde ebenso feilgeboten wie Töpferware und Glasgefäße, Sandalen und Perücken. Figuren von unseren Göttern gab es ebenso wie die von nackten Mädchen. Es gab einfach alles – und alles im Überfluss. Wir
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