Im Land des Falkengottes. Amenophis
unserem Garten schenkte, in den Gürtel. Ich aß ein paar Bissen, und noch ehe die Sonne aufgegangen war, versammelten sich der Hofstaat und die Vertreter der Fremdländer vollständig im großen Audienzsaal des Palastes. In den offenen Höfen davor nahmen die Garde, Teile des übrigen Heeres und unzählige Beamte Aufstellung. Zuletzt erschien Amenophis, begleitet von seiner Mutter Mutemwia und von meinem Vater. Er trug nur einen weißen Schurz und das Nemes-Kopftuch mit dem Uräus und nahm aufdem Thronsessel Platz. Bereits nach kurzer Zeit kamen durch einen anderen Eingang die Priester des Amun, angeführt vom Obersten Priester Ramose. Ihre Köpfe waren kahl rasiert, wie auch der übrige Körper. Sie trugen schlichte, weiße Gewänder und die Oberpriester zudem ein Leopardenfell über der Schulter. Zahlreiche Goldringe schmückten ihre Oberarme. Sie nahmen Amenophis in ihre Mitte und verließen mit ihm die Halle, um ihren Herrscher in die heiligen Riten des mächtigen Verborgenen einzuweihen. Wie mir Ameni später berichtete, gelangte die Versammlung unter ständigen Gebeten und Gesängen von einem Raum des Großen Tempels zum anderen, bis schließlich das Allerheiligste erreicht war. Nur Amenophis und Ramose hatten dort Zutritt. Eine Figur Amuns, mehr als eine Elle hoch und aus purem Gold, wurde dem Schrein entnommen, mit heiligem Wasser gereinigt, danach mit Salbölen übergossen und nach einem Gebet wieder in den Schrein gestellt.
Schweigend blieb die Versammlung zurück, bis nach mehr als einer Stunde Trompetenklänge das Erscheinen Pharaos ankündigten und sich alle Anwesenden, mit Ausnahme der Großen königlichen Gemahlinnen Mutemwia und Iaret, zu Boden warfen. Niemand wagte es diesmal, seinen Kopf auch nur ein Stück weit zu heben oder zu drehen. Mit gewaltiger Stimme rief nun Ramose, der Erste Sehende des Amun:
«Horus ist erschienen, Neb-maat-Re, der Herrscher über Ober- und Unterägypten, er lebe, sei heil und gesund, der Herr über alle Fremdvölker, der Herr der Welt,
Starker Stier, der in Maat erschienen ist,
der die Gesetze dauern lässt und die Beiden Länder beruhigt,
mit großer Kraft, der die Asiaten schlägt,
Amenophis Mer-chepesch, Herrscher von Waset.»
Danach erklang wieder ein gewaltiger Fanfarenstoß, und Ramose wiederholte die gesamte Titulatur noch zweimal. Nun durften sich alle erheben, und ein fürchterliches Jubelgeschrei hob an, so laut, wie ich es noch nie gehört hatte. Es schien, als brüllte ein jeder seine Erleichterung hinaus, dass die schlimme Zeit, in der kein gekrönter Herrscher das Land regierte, und Maat, unsere göttliche Ordnung, jeden Tag durch Isfet, die Unordnung, gefährdet war, endlich überwunden war.
Da stand er vor seinem Volk: mit der Doppelkrone auf dem Haupt, der roten Krone Unterägyptens, in welche die weiße Krone Oberägyptens gesetzt war. Mit dem langen, geflochtenen Zeremonialbart am Kinn, dem Stierschwanz am Prunkgürtel seines Schurzes, mit Krummstab und Geißel, einem mächtigen Goldkragen, mit Armreifen, Siegelringen und goldenen Sandalen. All diese königlichen Insignien ließen seinen kräftigen Körper noch mächtiger erscheinen, als er ohnehin war.
Unter dem anhaltenden Jubelgeschrei der Menge zog Pharao durch die Halle und das große Eingangstor zur Treppe, die in den ersten Hof führte. Wieder hob unvorstellbarer Jubel an, nachdem auch dort Ramose den zunächst auf dem Boden liegenden Menschen die Titulatur des Herrschers, des jungen Horus, dreimal verkündet hatte. Danach durchschritt Amenophis den Hof und bestieg gemeinsam mit Ramose und der Großen königlichen Gemahlin Mutemwia den Torturm an der Palastmauer. Vor ihnen lag die übrige Bevölkerung von Waset im Staub. Wieder verkündete Ramose dreimal die Titulatur Pharaos, und wieder hob ein Jubel an, der jetzt die ganze Stadt, jedes Haus, selbst den Palast geradezu erzittern ließ.
Amenophis stieg herab und legte auf einem vorbereiteten Tisch alle Throninsignien nieder, bis er nur noch mit dem Schurz bekleidet war. Dann öffneten sich die Palasttore, und durch ein Spalier Tausender Soldaten lief Amenophis unter dem nicht enden wollenden Jubel der Menge dreimal um denPalast, um so nach uraltem Herkommen zu zeigen, dass er gesund war und die Kraft hatte, die Beiden Länder zu regieren. Die Sonne stand noch nicht sehr hoch, sodass die Hitze erträglich war und Amenophis den Lauf ohne große Anstrengung überstand. Danach bestieg er wieder, diesmal alleine, den Turm. Er nahm
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