Im Land des Falkengottes. Echnaton
die in leuchtenden Farben auf den Wänden abgebildet waren, als wollte sie ertasten, ob es nicht doch lebendige Wesen wären, die sie hier nach und nach entdeckte. Beim Anblickder neuen Betten schüttelte sie nur leicht den Kopf. Gewiss glaubte sie nicht, dass ein derart zierlich geschnitztes Möbelstück einen erwachsenen Menschen aushalten konnte. Am meisten aber beeindruckte sie unser Bad mit all seinen Pflanzen, Winkeln und Brunnen, und als sie es betrat, hielt sie nach einem kurzen «Oh» die rechte Hand vor den gespitzten Mund, damit ihr nicht ein weiteres «Oh» entwischte und sie ihr mädchenhaftes Grinsen, das die gewiss überflüssige Pracht bei ihr verursachte, verbergen konnte.
«Wenn du einmal die Wohltat eines babylonischen Bades genossen hast, wirst du nie mehr wieder darauf verzichten wollen», hauchte ich in ihr kleines Ohr, um sogleich beiläufig, aber doch auffordernd ihren Hals zu küssen.
«Ob man dieses Bad schon heute Abend in Gebrauch nehmen kann?»
Sie senkte ein wenig den Kopf und sah mich von unten mit weiten Augen an, wie sie es immer tat, wenn ich auf Fragen dieser Art nicht mit Nein antworten durfte. Ohne eine Reaktion abzuwarten, umarmte sie mich, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss. Dann strich sie über mein Haar, legte ihre Wange an meine und flüsterte: «Es ist alles fast unwirklich schön hier, Eje. Ich freue mich auf unser Leben in Achet-Aton.»
«Aber du hast doch noch gar nichts von der Stadt gesehen», wunderte ich mich und drückte sie fest an mich.
Wir stiegen wieder hinab in das Erdgeschoss, wo ich Ti die Wirtschaftsräume zeigte. Dann verließen wir das Haus durch den hinteren Eingang und erreichten so den Wirtschaftshof mit den Gemüsegärten und Pferdeställen, den Getreidesilos und den Vorratshäusern, den Bienenkörben, den Hundezwingern und nicht zuletzt dem lang gestreckten Gesindebau. Die Menschen, die hier arbeiteten, standen teilweise erst seit kurzem in meinen Diensten, aber alle erhoben sich und wandten sich uns zu, als sie uns kommen sahen, und grüßten Ti und mich ehrerbietig.
«Lass uns auf die Terrasse gehen, Eje, und uns dort ein wenigin den Schatten setzen», sagte Ti, als wir alles gesehen hatten, denn es war sehr heiß.
«Dann will ich dir erst noch etwas anderes zeigen», entgegnete ich und nahm sie wieder bei der Hand. Wir kehrten zurück ins Haus, wo ich sie in die Innenhalle führte, welche sie bislang nicht gesehen hatte. Durch die hoch oben angebrachten Fenster erhellte das Sonnenlicht nur den oberen Teil der Wände, der untere Teil des Raumes versank in einem gedämpften, aber für das Auge sehr angenehmen Licht.
Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe Ti alles erkennen konnte. Wir standen vor dem niedrigen Springbrunnen und tauchten unsere Hände in sein kühles Wasser. Wir sahen die Wasserbecken in den Ecken des Raumes, sahen die in schweren kretischen Keramikkübeln üppig wuchernden Pflanzen, sahen zwei zum Verweilen und Ausruhen einladende Holzsessel nebst Fußschemeln, und betrachteten schließlich, beinahe versteckt zwischen zwei Palmen, eine vorzüglich gearbeitete, lebensgroße Steinfigur Nimurias aus schwarz glänzendem Basalt. Sie zeigte ihn als jungen Herrscher von siebzehn oder achtzehn Jahren. Er trug den Chepresch, auf dessen Stirnseite die Uräusschlange prangte, und hielt vor der Brust gekreuzt Geißel und Krummstab. Von weitem erkannte ich die großen mandelförmigen Augen und die fein gezeichneten Lippen, die ein freundliches Lächeln zeigten. Obwohl die Figur noch im alten Stil geschaffen wurde, erkannte man in ihr zweifelsfrei die Züge Amenis. Ihm gegenüber, ebenfalls zwischen zwei Palmen, stand eine Statue Echnatons, ganz im neuen Kunststil – seinem Kunststil – geschaffen, aber doch schön und vollkommen, mit dem wahrhaften Antlitz des jungen Herrschers. Er trug das Nemes-Kopftuch und hielt ebenfalls die Zeichen der königlichen Macht vor seinem Körper. Es war nicht einfach ein mildes Lächeln, das ich sah; mehr noch war es das Lächeln eines Wissenden, eines Erkennenden.
«Dieser Raum ist so angenehm, so beruhigend und anregendzugleich, dass ich hier im Angesicht meiner Herrscher einmal die letzten Augenblicke verbringen möchte», flüsterte ich leise vor mich hin, und mein Flüstern galt mehr mir selbst, als dass es für Tis Ohren bestimmt gewesen wäre.
«Wie kannst du solchen Gedanken nachhängen, wo unser Leben in Achet-Aton gerade erst begonnen hat», widersprach meine Frau und
Weitere Kostenlose Bücher