Im Land des Falkengottes. Echnaton
nie mehr wieder! Hört Ihr, Kija: nie mehr wieder!»
Die anderen hatten unseren Wortwechsel nicht gehört, denn erst jetzt kamen sie näher, und der Offizier, der so schändlich versagt hatte, fiel neben meinem Wagen zu Boden und wartete, ohne um Gnade zu flehen darauf, dass meine Peitsche auf seinen Rücken niederknallte.
«Ein erbärmlicher Versager bist du! Meine Peitsche ist zu schade für deinen krummen Buckel. Steig auf meinen Wagen und komm mir für den Rest deines Lebens nicht mehr unter die Augen!»
Ohne noch irgendein Wort zu sagen, stieg ich auf den Wagen Kijas, nahm ihr – ohne sie dabei anzusehen – die Zügel aus der Hand und setzte die Fahrt fort, als ob nichts geschehen wäre. Schaute ich nach rechts, tat sie das ebenfalls, schaute ich nach links, sah sie geradeaus, nur um meinen Blicken auszuweichen.
«Wenn Ihr beabsichtigt, Euch den Rest des Tages beleidigt in Schweigen zu hüllen, sollten wir besser umkehren», sagte ich und sah sie von der Seite an.
«Ich?», rief sie laut, und wir sahen uns jetzt beide mit weit aufgerissenen Augen an. «Ich beleidigt? Könnte es nicht sein, dass es umgekehrt ist? Wer weicht denn unentwegt meinen Blicken aus?»
Sie hatte zwar Unrecht, doch weil ich keine Antwort wusste, lächelte ich sie verlegen an. Wäre sie ein Straßenmädchen aus Achmim gewesen und nicht eine Prinzessin aus Mitanni, hätte sie jetzt vermutlich die Augen zusammengekniffen und mir die Zunge gezeigt. Stattdessen sah sie mich regungslos an, und es dauerte eine ganze Weile, ehe sich ihre Gesichtszüge wieder lösten und eine gewisse Heiterkeit zu erkennen war.
Endlich erreichten wir den Fluss und die Anlegestelle, die nur für die königliche Familie bestimmt war. Dort standen zwei Sänften bereit: eine für Kija und eine zweite für ihre drei Hofdamen. Ich hatte zu Fuß zu gehen, denn selbst mir war es nicht gestattet, eine Sänfte zu besteigen, wenn ich ein Mitglied der königlichen Familie, das selbst in einer Sänfte saß, begleitete.
Unser erster Weg führte uns zum Tempel des Amun, denn ich hielt es für ratsam, das Heiligtum des mächtigen Verborgenen dem Tempel des hier ungeliebten Aton vorzuziehen. Ich erklärte Kija in jeder Einzelheit, welche Gebäude der gewaltigen Anlage der verstorbene Amenophis errichtet hatte. Dann zogen wir weiter zum nördlich angrenzenden Tempel des Month und von dort in das größte Heiligtum der Stadt, das Gempa-Aton.
Kija stand lange vor der ersten großen Steinfigur Echnatons und blickte schweigend in das zur Fratze verzerrte Antlitz Pharaos hinauf. Dann wandte sie sich mir zu und fragte: «Welch ein Mensch muss das sein, dass er sich so entstellt abbilden lässt? Hat er das wirklich selbst so gewollt?»
Ich nickte stumm.
«Ein Bildhauer, der es wagte, meinen Vater so darzustellen,würde den Augenblick, da er Meißel und Schlegel aus der Hand legte, nur um kurze Zeit überlebt haben.»
«Das hat auch hier mancher befürchtet. Doch es war der ausdrückliche Befehl Echnatons, dass die Bildhauer ihn und Nofretete so abbilden sollten.»
Ich gab mir größte Mühe, Kija zu erklären, welche Gedanken Pharao zu dieser Art von Darstellung veranlasst hatten. Ich berichtete ihr, wie man vorher die Herrscher Ägyptens zeigte, gleich wie alt sie waren und wie sie wirklich aussahen. Ich erzählte ihr von der nahezu krankhaften Wahrheitsliebe des Guten Gottes, und dass er bereit war, dafür die Wahrheit zu überspannen, sie beinahe ins Gegenteil zu verkehren. Während wir durch den Tempel gingen und sie sich all die Wandbilder ansah, hörte sie mir aufmerksam und geduldig zu, bis ich geendet hatte.
«Die Größe Eures Herrschers beeindruckt mich», sagte sie im Ton ehrlicher Anerkennung und Bewunderung. «Gerne würde ich einmal mit ihm über all diese Dinge reden.»
«Echnaton hat kaum Augen für andere Frauen, außer für Nofretete. Verzeiht mir! Soviel ich weiß, hat er nur selten den Frauenpalast aufgesucht. Echnaton ist da ganz anders als sein Vater Nimuria. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er Euch jemals zur Kenntnis nehmen wird.»
Kija erwiderte meine Bemerkung nicht, zeigte auch nicht die geringste Gefühlsregung, sondern ging schweigend weiter. Wenn sie vor einem der riesigen, farbigen Steinreliefs stehen blieb, schüttelte sie nur beinah unmerklich den Kopf, weil sie das Gesehene zu fassen kaum in der Lage war, und manchmal sagte sie leise ein paar Worte in ihrer Sprache, die ich freilich nicht verstand.
«Ihr werdet staunen, wenn Ihr erst
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