Im Land des Falkengottes. Echnaton
wenig gelang es mir. Was immer ich auch tat, stets hatte ich ihr Bild vor Augen. Ich war von den Gedanken an sie besessen wie von einem Geist, den der Fluch eines mächtigen Magiers über mich gebracht hatte und der mich nicht mehr loslassen wollte. Aber das Schlimmste für mich war, dass ich nicht einen einzigen Freund hatte, dem ich meine Gefühle offenbaren konnte, ohne befürchten zu müssen, Kija und mich dadurch in eine unangenehme Lage oder gar in ernsthafte Gefahr zu bringen. So verbarg ich dieses Geheimnis in meinem Herzen wie in einem tiefen Brunnen. Viele Tage durchlitt ich so, dann hielt ich es nicht mehr aus und musste sie wiedersehen.
Ich war glücklich über ihr Lächeln, über den Anblick ihrer Augen, den geheimnisvollen und herben Duft ihres Salböls und über die Unbekümmertheit, die sie zeigte, als wir uns endlich wieder begegneten. Wie stets wurde sie von ihren Hofdamen begleitet, doch ich hatte mich an die Drei gewöhnt, sodass ichsie kaum noch wahrnahm, und auch Kija schien sich an ihrer Anwesenheit nicht zu stören. Wir fuhren zum Tempel von Pharao Hatschepsut Maat-ka-Re, denn sein Anblick von den Höhen des Gebirges hatte sie so in seinen Bann gezogen, dass sie ihn jetzt aus der Nähe betrachten wollte.
Ich zeigte ihr an den Wänden des Tempels die Bilder von der Expedition der Ägypter ins ferne und geheimnisvolle Punt, von der fettleibigen, unförmigen Königin dieses Landes und von den vielen seltenen Tieren und Pflanzen, vor allem aber von den Weihrauchbäumen, welche die Ägypter damals mitgebracht hatten. Und ich führte sie zu der Stelle, an welcher ich vor Jahren jenen Ermordeten fand, der mich und die Königsfamilie vor einem Anschlag hatte warnen wollen. Dann setzten wir über den Fluss, und wenig später erreichten wir den alten Stadtpalast von Waset.
Ich erzählte Kija, wie Ameni und ich vor achtunddreißig Jahren zum ersten Mal hierher gekommen waren und wie schnell sich der junge Pharao in die Stadt verliebt hatte, als er von der Dachterrasse auf sie hinabblickte. Ich führte sie durch die Säle des Palastes, durch seine weiten Höfe und seine unendlich langen Gänge. Sie sah den altehrwürdigen Thronsaal, der jetzt vielleicht für lange Zeit verwaist sein würde, und sie sah das mächtige, vergoldete Tor, durch welches wir den Saal verließen.
Zuletzt standen wir auf der Dachterrasse und genossen – wie einst Ameni und ich – den Ausblick auf die Stadt mit all ihren Tempeln, Palästen und den unzähligen Wohnhäusern, auf das silbrig glänzende Band des trägen Flusses und auf das westliche Gebirge, das hinter einem breiten Streifen goldgelber Felder aufragte. Kija stand zu meiner Rechten, und weil sich ihre Hofdamen in angemessenem Abstand zu meiner Linken aufhielten, tastete ich, von ihnen unbemerkt, nach Kijas linker Hand. Erst fanden einige Fingerspitzen zueinander, dann berührten sich unsere Handflächen, um schließlich die Finger sich miteinander vereinigen zu lassen. Kija ließ es geschehen. Der sanfte Druckunserer Hände und das verliebte Spiel ihrer Finger sagten mehr aus, als es viele Worte vermocht hätten. So standen wir lange Zeit beisammen, um nur vermeintlich eine der schönsten Landschaften Ägyptens schweigend zu bewundern, während in Wahrheit unsere Hände sich gestanden, was jetzt zu sagen den Lippen verwehrt war. Mit einem kurzen, derben Druck nahmen unsere Hände voneinander Abschied, denn mein Diener Ipu erinnerte uns mit einem höflichen Räuspern daran, dass im Palastgarten ein kleines Mittagsmahl aufgetragen war.
«Entschuldigt uns für einen Augenblick», sagte ich in bestimmtem Ton zu unseren Bewacherinnen, nachdem wir das Mahl geendet hatten. An Kija gewandt fuhr ich fort: «Ich möchte euch durch den Garten führen, wenn Ihr dies wünscht.»
Die Drei sahen sich erstaunt an, dann nickten sie stumm und gehorsam, während wir uns bereits erhoben und sie allein zurückließen.
Anfangs wählte ich bewusst Wege in unmittelbarer Nähe der Drei, damit sie sahen, dass wir uns nur angeregt unterhielten und sie so keinen Verdacht schöpfen konnten. Langsam und gleichmäßig wie Schildkröten bewegten wir uns über den leise unter unseren Sandalen knirschenden Kies, bis ich sah, dass die Hofdamen, wohl behütet vom Schatten einer gnädigen Akazie, friedlich eingeschlafen waren. Bedächtig und langsam wie bisher, und dennoch zielstrebig, um keine Zeit zu vergeuden, gingen wir auf eines der Gartenhäuser zu, das zwischen riesenhaften
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