Im Land des Falkengottes. Echnaton
anblickte und die in Ägypten so selten waren, konnten mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass mein Diener bei festlichen Anlässen zunehmend mehr Zeit aufwenden musste, bis wir beide mit meinem äußeren Erscheinungsbild zufrieden waren. Aber es gab noch etwas, was mich an diesem Morgen an mir überraschte, und das war meine Eitelkeit gegenüber meiner Schwester Teje. Im Innersten meines Herzens entdeckte ich, dass ich vor ihr, der Großen königlichen Gemahlin, nicht als alter Mann erscheinen wollte, sondern sie sollte einen noch immer gut aussehenden, strahlenden Eje antreffen, dem all die Last der Arbeit und der täglichen Sorgen nichts anhaben konnte.
«Wie lächerlich», sagte ich deswegen in den Spiegel, und hatte dabei gar nicht bemerkt, dass Ti in das Zimmer gekommen war und jetzt hinter mir stand.
«Was ist lächerlich?», fragte sie und presste ihr Gesicht dicht an meine rechte Wange, sodass wir uns beide im Spiegel sahen.
«Welche Mühe man aufwendet, um die Spuren des Alters zu verwischen», antwortete ich ihr, ohne meine Blicke von meinem Spiegelbild abzuwenden.
«Es lohnt sich aber, Eje! Es lohnt sich», flüsterte Ti in mein Ohr und strich mit ihren Fingern zärtlich und vorsichtig durch mein Haar.
Ich war mir sicher, dass Teje mehr als das Doppelte an Aufwand betrieben hatte, um mich an diesem Morgen in so vollkommener Gestalt zu begrüßen, wie ich sie vorfand. Ihr Palast und alle ihre Beamten und Diener strahlten zweifelsohne auffälliger undheller als sonst. Teje trug ein eng anliegendes weißes Gewand, welches in tausend Falten von den Schultern bis an die Knöchel hinabfiel. Es war mit goldenen Fäden durchwirkt und aus so feinem, dünnem Leinen, dass darunter ihre noch immer mädchenhafte Figur schemenhaft zu erkennen war. Sie trug eine aufwändig geflochtene Perücke, in welche Hunderte winziger Perlen aus buntem Glas eingearbeitet waren, und darüber ragte die Doppelfederkrone empor.
Sie empfing mich auf der Terrasse ihres Palastes, wo sie – umgeben von ihrem gesamten Hofstaat – in einem schlichten Ebenholzstuhl saß. Stolz trat ich erhobenen Hauptes vor sie hin, verneigte mich dann aber tief, um ihrem Anspruch auf Ehrerbietung, der ihr als der Großen königlichen Gemahlin auch von ihrem Bruder zustand, gerecht zu werden. Das war es auch, was alle Höflinge Tejes sehen sollten, denn kaum hatte ich mich wieder aufgerichtet, entließ sie mit einem einzigen Wink ihrer Hand alle Anwesenden. Die Eitelkeit meiner Schwester war offensichtlich befriedigt.
«Alle Schätze Nimurias und Amuns zusammen können deine Schönheit nicht übertreffen, meine Große königliche Schwester», rief ich ihr in bester Laune zu, bevor ich mit beiden Armen ihre Schultern umfasste, um sie zu küssen.
«Oh Eje! Du und deine Schmeicheleien! Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, du hättest deinen hohen Rang und deine Stellung bei Pharao nur deinen Schmeicheleien zu verdanken.»
«Kaum sagt man in diesem Hause einmal die Wahrheit, wird man auch schon des Schmeichelns und damit der Lüge bezichtigt. Es ist einfach ungerecht! Du könntest mir auch etwas Nettes sagen, um mein altes Herz zu erfreuen!»
«Soll ich dir als meinem Bruder jetzt etwa sagen, dass du heute jünger aussiehst, als du in Wirklichkeit bist? Lächerlich», fügte sie hinzu und machte dabei ein Gesicht, von dem ich nicht wusste, ob es fröhlichen Spott oder bittere Häme ausstrahlte.
«Lächerlich», wiederholte ich leise, «lächerlich hat man mich heute schon einmal genannt. Aber du hast Recht, Teje. Du hast mich sicher nicht zu dir gebeten, damit wir uns gegenseitig unseres jugendlichen Aussehens versichern.»
Der nüchterne, ja manchmal etwas bissige Ton meiner Schwester irritierte mich immer wieder. Ich hatte es mir schon seit langem abgewöhnt, mich darüber zu ärgern. Was mich nun aber reizte war, dass sie mich gar nicht fragte, wer mich lächerlich genannt hatte. Ich setzte mich auf einen der Stühle und sah sie schweigend an.
«Es wird nicht mehr lange dauern, und Nimuria wird unseren Sohn zum Mitregenten erheben. Wie lange die Mitregentschaft dauern wird, weiß niemand von uns zu beantworten. Aber gewiss wird mein Sohn eines Tages allein über Ägypten herrschen. Glaubst du, dass Nofretete stark genug sein wird, um neben ihm als Große königliche Gemahlin zu bestehen?»
«Warum fragst du mich das», erwiderte ich, um einer Antwort auszuweichen.
«Die Schwärmereien meines Sohnes» – und jetzt schwieg
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