Im Land des Falkengottes. Echnaton
ehrfurchtsvoll vor Pharao und seinem Sohn, tat einen Schritt nach vorn, wies mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand auf eine Papierrolle in seiner Linken und sagte: «Hier, mein Prinz. Hier steht es geschrieben.»
«Habt Ihr überprüft, ob es auch der Wahrheit entspricht, was da geschrieben steht?», gab Amenophis knapp zurück, wobei er den Kopf etwas nach unten neigte und Ptahmose mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
«Ich muss mich auf die Mitteilung meiner unmittelbaren Untergebenen verlassen können, so wie sich auch Eje auf die Angaben seiner ihm unterstellten Aufseher verlassen muss und sich Pharao, er lebe, sei heil und gesund, auf mich verlässt.»
«Der Vorwurf, den man Aper-el macht, ist das eine, Ptahmose. Da gebe ich Euch Recht, dass Ihr Euch zunächst auf die Angaben Eures Untergebenen verlassen müsst. Was aber wäre, wenn Aper-el von einem Neider falsch verdächtigt wird, um ihn aus seinem Amt zu drängen? Was wäre, wenn Ihr erst zu spät davon erfahren würdet, wenn Aper-el längst bestraft und ein geächteter Mann ist?»
Der Wesir Ptahmose schwieg, und allen war bewusst, dass Amenophis Recht hatte. Nur hatte der Prinz den Wesir seiner Majestät in eine unangenehme Lage gebracht, und es war an Nimuria, ihn daraus zu befreien. Doch es war der alte und weise Wesir selbst, der allen den richtigen Weg wies.
«Ihr habt Recht, Prinz Amenophis. Vielleicht hätte ich zu voreilig ein Urteil gefällt und dabei Aper-el Unrecht getan. Ich selbst werde mit dem Einverständnis Seiner Majestät nach Men-nefer fahren und den Fall überprüfen.»
Nimuria stimmte dem Vorschlag seines Wesirs zu, ja er ging sogar noch einen Schritt weiter: Er übertrug Ptahmoses Ämter für die Dauer von dessen Abwesenheit auf den Thronfolger.
«Bist du darüber enttäuscht?», fragte ich den alten Wesir leise, als wir den Versammlungsraum verließen.
«Für einen Augenblick schon, Eje. Aber wenn ich es mir recht überlege, komme ich zu dem Ergebnis, dass es weder mir noch dem Prinzen schaden kann, wenn er für einige Wochen oder Monate die Bürde meines Amtes zu tragen hat. Sorge du nur dafür, dass er es auch ist, der sie trägt, und nicht du!»
Bereits vier Tage später verließ eine königliche Barke mit dem Wesir und seinen engsten Vertrauten und Beamten den Hafen von Waset in Richtung Norden, um die Vorwürfe gegen den königlichen Lagerverwalter Aper-el aufzuklären.
Hatte ich meinen Schüler schon vorher als eifrigen und gewissenhaften jungen Mann kennen gelernt, so übertraf er jetzt alle meine Erwartungen. Noch ehe auch nur ein Schreiber derköniglichen Verwaltung ein Stück Papyrus in die Hand nahm, saß Amenophis früh am Morgen in den Amtsräumen des Wesirs und las Befehle, Urteile, Versetzungsgesuche, Anforderungsschreiben und Bestandsverzeichnisse der Getreidespeicher. Kannte er einen Vorgang nicht oder waren ihm Hintergründe unklar, ging er der Sache so lange nach, bis er mit Fug sagen konnte, dass ihm der Sachverhalt vertraut war. Trotz all der Arbeit blieb der Prinz stets freundlich und zuvorkommend, ich hörte nie ein lautes oder im Jähzorn gesprochenes Wort aus seinem Mund. Und trotz der vielen Arbeit, die er sich aufgeladen hatte, nahm er sich jeden Tag Zeit für Nofretete. Oft waren es nur kurze Augenblicke, wenn Amenophis auf dem Weg zu Amtsgeschäften durch einen der Palastgärten ging, in dem sie sich gerade aufhielt und die Zeit nur reichte, um ein paar verliebte Worte oder einen zärtlichen Kuss auszutauschen. Meist nahm er sich abends die Zeit, um mit Nafteta und mir auf seiner Palastterrasse oder im Garten zu essen.
«Eje», sagte er eines Abends, als die Musikerinnen gerade ihr Spiel unterbrochen hatten, und sein Gesicht strahlte wie das lebendige Abbild der Sonnenscheibe, «ich frage dich jetzt nicht als den Vater Naftetas, sondern als meinen Lehrer: An wen habe ich zuerst das Wort zu richten, wenn ich Nafteta zur Frau nehmen möchte?»
Im Grunde meines Herzens hatte ich schon lange auf diesen Augenblick und auf diese Frage gewartet, und doch stieg mir vor Aufregung das Blut in den Kopf, als hätte ich von der Liebe, die sich die beiden entgegenbrachten, keine Ahnung gehabt. Auch Nafteta errötete, als wäre sie von der Frage des Prinzen überrascht worden.
«Um dir deiner Sache sicher zu sein, solltest du vielleicht zuerst mit meiner Tochter über deine Pläne sprechen. Denn sie ist es, die du im Falle einer Heirat ertragen musst. Da ich aber vermute, dass diesbezüglich zwischen
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