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Im Land des Falkengottes. Echnaton

Im Land des Falkengottes. Echnaton

Titel: Im Land des Falkengottes. Echnaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Vater seiner Großen königlichen Gemahlin den Titel «Gottesvater». Ich, Eje, würde dann Gottesvater sein!
    Der Klang einer Harfe betörte mich. Er kam aus dem Schattenhaus neben der Sykomore zu mir herüber. Gewiss spielte dort eine der neuen Musikantinnen, die sich schon drei Tage in unserem Palast aufhielten. Seit einigen Jahren war es bei den ersten Familien von Waset Mode geworden, dass man die Musikanten nicht auf Dauer bei sich beschäftigte, sondern sie wurden im Abstand von nur wenigen Wochen ausgewechselt. Oft kamen sie aus dem Palast von Merwer in der Oase Fajum nach Men-nefer, von dort zu Nimuria in den Palast der leuchtenden Sonne, und dann ging es reihum, immer dem Rang nach, von Palast zu Palast. Sicher kam so ein wenig Abwechslung zustande, aber wer sich in Waset bei jedem Fest tummelte, sah und hörte zuletzt doch immer dieselben Musikanten – nur eben in anderen Häusern.
    Die Melodien aus dem Schattenhaus klangen sehr lieblich, fast schüchtern, und ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass sie für das Hochzeitsfest bestimmt waren. Schließlich verstummte die Harfe ganz. Um mich herum herrschte jetzt eine so vollkommene Stille, wie man sie nicht einmal nachts erlebt, wo Hunde bellen, Betrunkene johlen oder Nachtigallen ihre Lieder singen. Die sommerliche Mittagshitze ließ sie alle verstummen. Was mochte das Mädchen jetzt wohl tun? Schlief es? Oder war es gar kein Mädchen, sondern einer der vielen Harfner, die es überall im Land gab?
    «Du wolltest schlafen, Eje», sagte ich zu mir selbst und drehte mich auf die rechte Seite, um das Schattenhaus nicht mehr sehen zu müssen. Ich suchte die Erinnerung. Die Erinnerung an Inena, das Mädchen, das mich die Liebe lehrte, als ich mich, dem Knabenalter kaum entwachsen, so sehr nach der Zärtlichkeitdieses Mädchens sehnte. Die Erinnerung an Inena war nur bruchstückhaft. Doch nach und nach fügte sich alles zu einem Bild, ihrem vollkommenen Abbild, zusammen. Jetzt sah ich sie vor mir: Ich sah ihre rotbraunen Haare, ihre breite Nasenwurzel und daneben die unruhig flackernden Augen. Braun waren sie, mit etwas Grün dazwischen. Rechts über dem Mund mit seinen gleichmäßigen, weißen Zähnen sah ich jetzt auch die kleine Narbe. Ich sah, ich fühlte ihren Körper, die weiche Haut, berührte ihre verführerischen Brüste. Dann verschwand das Bild von Inena langsam wieder und ich ging in meiner Erinnerung weiter zu Rena, meiner kleinen nubischen Dienerin. Ich sah ihr kleines Gesicht mit den großen dunklen Lippen und den noch größeren braunen, fast schwarzen Augen. Ich fühlte ihre Arme und Beine mit dem zarten Flaum eines jungen Mädchens. Ich strich durch ihr schwarzes, gekräuseltes Haar. Die Liebe zwischen Rena und mir war eine sprachlose Liebe gewesen, vollkommen heimlich und verborgen, eine Liebe, die niemand entdecken durfte. Die Gefühle, die wir füreinander empfanden, gaben und empfingen wir nur mit unseren Körpern. Mit Worten hatten wir uns nichts zu sagen.
    Die Musik aus dem Schattenhaus erklang von neuem, fast noch lieblicher als zuvor. Jetzt sah ich die vollkommene Liebe meines Lebens. Ich sah sie sofort, nicht erst bruchstückhaft, wie zuvor Inena. Merit war ganz gegenwärtig, mit ihrer Löwenmähne, die ich so sehr liebte, den braunen Augen und dem außergewöhnlich gezeichneten Mund mit seinen weichen Lippen. Ich roch den Duft ihres Atems, der Salben und Öle, die sie immer benutzte, und ich erahnte den Duft ihres Schoßes. Ich strich über ihre Schultern und ihren Hals, berührte ihre Hüften und ihre Schenkel. Dann ging auch Merit wieder weg, ohne sich nach mir umzudrehen.
    Wenige Augenblicke später schob ich vorsichtig den hauchdünnen Vorhang zur Seite und steckte meinen Kopf ins Innere des Gartenhauses. Dann stand ich vor ihr. Sie war auf einer derLiegen eingeschlafen, die Harfe lag neben ihr auf dem Boden. So leise wie nur irgend möglich zog ich den Vorhang hinter mir wieder zu. Mein Herz begann wie rasend zu schlagen, doch ich blieb. An der Innenseite meiner Knöchel streifte ich vorsichtig meine Sandalen ab und schlich auf Zehen zu der zweiten Liege, keine zwei Ellen von dem Mädchen entfernt. Wie eine Schlange kroch ich zwischen den Kissen hindurch, legte mich nieder und sah sie an.
    Sie zählte gewiss noch keine achtzehn Jahre, denn der Körper dieses Mädchens war noch so rein und vollkommen, wie ich es nur von den Wandmalereien des Königspalastes kannte. Außer einem Tuch, welches um den Unterleib gewickelt war, trug

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