Im Land des Falkengottes. Echnaton
ist allein darauf gerichtet, alles, was da ist, mit Leben zu erfüllen. Gäbe es ein Leben ohne sein Licht, ohne seine Wärme? Nichts würde grünen, nichts wachsen.»
«Wollt Ihr das Wirken unserer Götter leugnen? Wollt Ihr das Wirken Amuns, Ptahs und Osiris’ wirklich leugnen? Überlegt Euch genau, was Ihr sagt, Amenophis Waen-Re», rief Ramose zornig.
«Ich kann Euch nicht sagen, was geschieht, wenn Ihr die Tempel Amuns, Ptahs und anderer Götter der Beiden Länder schließt. Ich weiß jedoch, dass ohne das Licht der Sonne keinLeben ist. Stellt eine Pflanze unter einen Krug, und sie wird welken und vergehen. Sperrt einen Menschen, ein Tier in ein finsteres Loch, ganz ohne Licht, und sie werden sterben. Die Fremdländer kennen weder Amun, noch Ptah oder Osiris. Und dennoch grünen auch ihre Wiesen und Felder, leben bei ihnen Mensch und Tier, weil die Strahlen Atons auch dort allgegenwärtig sind. Die Zeiten, da wir Ägypter glaubten, die Welt bestünde nur aus den Beiden Ländern, sind Vergangenheit. Er ist die lebendige Sonne, Ramose! Hört Ihr: die lebendige Sonne! Ihre Bewegung bringt die Zeit hervor, ihre Strahlen das Licht, und damit die Grundlagen allen Seins.»
Es war eine unfassbare, kaum zu beschreibende und unheilschwangere Unruhe entstanden. Manche erhoben die Hände zum Gebet und stammelten flüsternd irgendetwas vor sich hin. Andere steckten die Köpfe zusammen und raunten sich Worte zu, die selbst mir unverständlich waren, und die Priester Amuns schüttelten unaufhörlich die zornesroten Köpfe und spieen ihre Schimpfworte wie bittere Galle aus.
Dann wandte sich Ramose ein letztes Mal an seine Herrscher: «Dann tut, was Ihr meint, tun zu müssen. Ich sage Euch, dass es Verrat an den althergebrachten Göttern Ägyptens ist, an dem wir uns nicht beteiligen werden!»
Dann drehte er sich um und wollte ohne Erlaubnis seiner Herrscher mit seinen Priestern den Tempel Atons verlassen. Da sagte Amenophis Waen-Re mit ruhiger, vollkommen beherrschter Stimme, aber doch so laut, dass es alle hören konnten:
«Ramose! In genau einer Woche wird eine Truppe von fünfzig Soldaten aufbrechen, um durch die östliche Wüste den Weg in das ferne und geheimnisvolle Punt zu erkunden. Ihr seid der Weiseste von uns und verfügt über die meiste Erfahrung. Ich beauftrage Euch deswegen mit der Leitung dieses Unternehmens. Jetzt, Ramose, jetzt dürft Ihr Euch entfernen!»
Keiner von uns hätte je damit gerechnet, dass Amenophis Waen-Re, der sonst so Friedfertige, so Beherrschte, imstande seinwürde, so kaltblütig, überlegt und doch kurz entschlossen seinen erbittertsten Gegner aus dem Weg zu räumen. Nimuria empfand den Befehl seines Sohnes gewiss als eine zu harte Strafe für die Anmaßungen Ramoses, doch er wusste, dass jedes noch so kleine Widerwort, jeder Versuch, die Entscheidung seines Sohnes abzumildern oder gar rückgängig zu machen, einen nicht wieder gut zu machenden Schaden für das Ansehen und die Macht des jungen Herrschers bedeutet hätte.
Starren Blickes sah Nimuria in die Augen Ramoses, dessen zittrige Augen wiederum bei Pharao Hilfe zu erflehen schienen. Doch die Miene des Herrschers blieb ungerührt. Die kurzen Augenblicke, während derer sie sich schweigend gegenüberstanden, mochten ihnen wie eine Ewigkeit vorgekommen sein. Als Ramose gewahr wurde, dass er von Nimuria keine Hilfe zu erwarten hatte, verneigte er sich knapp vor seinen Herrschern und verließ wortlos den Tempel des Aton. Jeder von uns wusste, dass Ramose als Sechzigjähriger die Strapazen dieser Reise durch die Wüste nicht überleben konnte und dass Pharao nicht weniger als das Todesurteil über ihn gesprochen hatte.
Ich hätte innerlich frohlocken müssen, mich hätte ein Gefühl der Befreiung und der Genugtuung überfallen müssen. Ja, ich hätte in überschwänglichen Jubel verfallen müssen, da der Erste Sehende des Amun durch den Befehl Pharaos entmachtet und beseitigt war. Wie viele schlaflose Nächte hatte ich aus Angst vor ihm und seinen Machenschaften durchlitten! Wie vielen Gefahren wurde ich durch seine Rachlust und seine Machtgier schon ausgesetzt! Wie viele Menschen, die mir lieb und teuer waren, mussten auf seinen Befehl hin qualvoll ihr Leben lassen! Ich hatte diesen Mann immer aus tiefstem Herzen gehasst wie keinen anderen. Hätte irgendjemand zu mir gesagt: «Eje, Ramose ist heute Nacht gestorben», ich hätte nur mit den Achseln gezuckt und meine Zunge im Zaum halten müssen, um ihm nicht noch im Tod Böses
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