Im Land des Falkengottes. Echnaton
glaubst, du müsstest nur das Wort erheben, und es wäre immer nur die hehre Wahrheit, die du sprichst! Hättest du nur gelernt, zu schweigen, wenn es Not tut. Pharao ist nicht der Erfinder der Maat. Er ist ihr Hüter. Und was in diesem Land zweitausend Jahre lang richtig war, was dieses Land am Leben hielt, es reich und mächtig machte, ist nicht falsch, nur weil du es sagst und deinen Spott treibst mit vielem, was uns bislang heilig war.»
Nimuria hatte einen hochroten Kopf, und Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Finger seiner rechten Hand zitterten vor Aufregung.In kurzen Schritten ging er zu seinem Stuhl und setzte sich. Dann fuhr er fort.
«Ich habe mich auf das Gempa-Aton gefreut. Das weißt du. Seit Generationen sind die Herrscher der Beiden Länder Re in all seinen Erscheinungsformen sehr zugetan. Ich habe den Amunpriestern Land abgetrotzt, um es dir und Aton zu schenken. Jetzt aber ist es genug. Ich will von diesen Dingen in Waset nichts mehr sehen. Meriptah wird Erster Sehender des Amun sein, und ich will mit ihm in Frieden leben. Es ist genug, Amenophis!»
«Echnaton», sagte der Angesprochene mit sanfter Stimme.
«Was sagtest du?», fragte Nimuria und sah mit großen Augen in die Runde, als hoffte er von dort eine Antwort zu erhalten.
«Ich wollte noch etwas warten. Doch ich halte den Augenblick für geeignet, es dir schon jetzt mitzuteilen. Ich werde mich künftig Echnaton nennen.»
«Amenophis-Echnaton», sagte Nimuria nachdenklich und sah mich an. «Amenophis, dem Aton wohlgefällig», fügte er hinzu und nickte zufrieden.
«Du hast mich falsch verstanden, Vater. Echnaton wird der alleinige Name sein. Amenophis wird durch Echnaton ersetzt.»
«Du leugnest jetzt auch deinen Namen, meinen Namen», flüsterte Nimuria, denn zu mehr als zu einem Flüstern war er nicht in der Lage, es fehlte ihm einfach die Kraft. Teje sah mich an, und in ihrem Blick las ich den Wunsch oder mehr den Befehl, ich möge irgendetwas zur Rettung der verfahrenen Lage sagen oder unternehmen. Doch es gelang mir nicht.
Ich bewunderte diesen jungen Menschen wegen seines Mutes, wegen seiner Unnachgiebigkeit, vor allem aber wegen der Geradlinigkeit, mit welcher er seinen Weg ging. Und ich bedauerte gleichzeitig meinen Freund Ameni. Der mächtigste Herrscher der Erde, die vergöttlichte Sonne Ägyptens, der Herr über alle Herren saß da, hilflos und in sich zusammengesunken, wie ihn das steinerne Bild, das wenige Schritte von ihm entfernt an der Palme lehnte, wiedergab.
«Er leugnet nicht deinen Namen. Er verlangt mit keinem Wort, dass du deinen Namen ablegst oder änderst», sagte Teje, die jetzt hinter Nimuria stand und ihre Hände auf seine Schultern gelegt hatte, mit fester Stimme.
«Der Schritt unseres Sohnes mag außergewöhnlich sein, aber wenn er ihn als Herrscher der Beiden Länder geht, können wir ihn nicht daran hindern. Welche Folgen das im Weiteren haben wird, mag man sehen. Was Amenophis in die Wege geleitet hat, scheint ohnehin nicht mehr umkehrbar zu sein.»
Ich weiß nicht, ob Teje mit diesen Worten sich oder mehr ihrem Mann und uns Mut einreden wollte. Sehr geistvoll war es nicht, was sie gesagt hatte, aber wenigstens hatte irgendjemand überhaupt das Wort ergriffen, nachdem sich Vater und Sohn offenkundig sprachlos gegenüberstanden.
«Sollen auch wir dich mit Echnaton anreden, wenn wir unter uns, wenn wir allein sind?», fragte Nafteta ihren Gemahl und sah ihn dabei bewundernd, ja geradezu schwärmerisch an.
«Darum bitte ich euch alle», gab er liebevoll zur Antwort.
Er trat vor seinen Vater, ging in die Hocke und ergriff dessen rechte Hand, die müde auf dem Schoß Nimurias lag. Mit den Daumen beider Hände spielte Echnaton an dem Siegelring seines Vaters, wie er es schon als Kind getan hatte.
Er sah seinen Vater lange schweigend an, bis er schließlich sagte: «Lass mich meinen Weg gehen, Vater. Ich weiß, dass ich dazu geboren bin, allein dem Aton zu dienen. Ich bin nur einen Schritt weiter gegangen als du. Du hast Aton in den Kreis der großen Gottheiten Ägyptens erhoben und ihn in eine Reihe neben Ptah, Hathor, Isis und Amun gestellt. Ich weiß, dass er größer ist als sie, und ich hebe ihn über sie hinaus. Ist es dann nicht folgerichtig, dass ich einen Namen annehme, der sich über alle anderen Namen erhebt?»
Es war eine lange Zeit des Schweigens zwischen Vater und Sohn, und ihre Blicke wollten sich nicht voneinander trennen, als hätten sie nur mit den Augen gesprochen, damit sie
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