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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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froh, als die Barke Nofretetes, umgeben von zwanzig Schiffen der königlichen Flotte, endlich an der Hafenmauer des Stadtpalastes lag und für die Abreise vorbereitet wurde. Ein Großteil der Soldaten, die zum Schutz der Königin nach Achet-Aton gekommen waren, hatte die Stadt bereits wieder in Richtung Süden verlassen, und so war nur die Leibgarde zurückgeblieben, um unsere Herrscherin Anchetchepru-Re sicher nach Waset zu geleiten. Doch zunächst bestand deren Hauptaufgabe darin, das Verladen der Geschenke, die Nofretete gemacht worden waren, zu bewachen.
    Ägypten hatte wahrlich größere Schätze gesehen als diesen, aber niemand wagte es, darüber auch nur ein abfälliges Wort zu verlieren. Denn die wenigen Geschenke, dieser geradezu kümmerliche Schatz, waren nichts anderes als das Ergebnis der verfehlten Haltung Echnatons und Nofretetes gegenüber der unstillbaren Machtgier der Hethiter. Nofretete hatte in den letztenTagen trotz aller Warnungen aus dem Kreis ihrer Berater immer wieder erklärt, dass auch sie nach dem Tod ihres Gemahls nicht bereit sei, ägyptische Soldaten nach Nordosten zu schicken, damit sie auf fremdem Boden und für fremde Ansprüche ihr Blut vergossen. Über dem Land der Hethiter, sagte sie, würde Aton ebenso leuchten wie über Mitanni, Babylon und dem Nil. Ägypten müsse eben lernen, mit dem auszukommen, was das eigene Land seinen Menschen schenkte. Mit diesen Worten wies sie unsere Bedenken zurück. Auch den Einwand, Suppiluliuma könnte eines Tages sogar die ägyptischen Grenzen überschreiten und sich unseres Landes oder wenigstens großer Teile davon bemächtigen, ließ sie nicht gelten.
    «Unser unbedingter Wille zum Frieden wird jede Macht der Erde davon abhalten, uns Böses antun zu wollen. Das ist das Geschenk, das Aton uns für unsere unverbrüchliche Liebe zu ihm macht», sagte Nafteta zu meiner Schwester Teje, nachdem diese beim Abschied einen letzten Versuch unternommen hatte, die davoneilende Herrscherin umzustimmen.
    «Dann eben nicht», hörte ich Teje neben mir enttäuscht flüstern. «Ich werde den Untergang Ägyptens hoffentlich nicht mehr erleben müssen», fügte sie noch leiser und vorsichtiger hinzu.
    Es kostete Teje viel Kraft, den Kopf zu heben, damit sie mich ansehen konnte. Aber meine Reaktion auf ihre Frage schien ihr doch wichtig zu sein: «Ob ich deine Tochter jemals wieder sehen werde, Eje?»
    Ich sah lange und schweigend in ihre trüben Augen und überlegte, wessen Ende sie mit dieser Frage wohl vor Augen gehabt haben mochte: das meiner Tochter oder ihr eigenes. Ich zuckte nur mit den Achseln, denn ich hatte mit mir selbst zu tun.
    War es nicht entsetzlich, dass ich hier stand und es nicht erwarten konnte, bis meine eigene Tochter endlich Achet-Aton verlassen hatte? Der Abschiedskuss war ein sehr flüchtiger gewesen. Von uns beiden. Keiner wollte der Seele des anderen noch einmal wehtun, ja sie auch nur berühren. Keine Träne des Abschiedskummersrann über unsere Wangen. Wir kannten uns aber gut genug, um zu wissen, dass wir beide noch an demselben Abend, in der Stille der Nacht und in aller Heimlichkeit manche Träne über den Verlust des anderen verlieren würden.
    Ich hatte sie immer so sehr geliebt und ich hätte all meinen Besitz dafür gegeben, wenn ich sie noch so hätte lieben können, wie ich es noch vor wenigen Wochen getan hatte. Doch es lag ein tiefer Graben zwischen uns. Ein Graben von Unverständnis, von wahrscheinlich beiderseitiger Unfähigkeit, sich zuzuhören und einander verstehen zu wollen.
    Es mochte sein, was wollte, aber es war Unrecht, was sie getan hatte. Es gab keine Rechtfertigung dafür, dass sie dem Sohn Pharaos den Thron weggenommen hatte und nicht daran dachte, ihn dem rechtmäßigen Erben irgendwann wieder zugestehen zu wollen.
    «Mögen dir die Götter Ägyptens dafür gnädig sein!», flüsterte ich vor mich hin, als Nafteta mit ihren Töchtern das Schiff bestieg, und mir war dabei nicht einmal bewusst, dass ich etwas gesagt hatte, was auszusprechen noch immer unter Strafe verboten war.
    Nofretete und Meritaton standen unter dem Baldachin am Bug des Schiffes und warteten darauf, dass die Flotte ablegte und die Ruderer die Schiffe gegen den Strom nach Süden trieben. Zuvor aber breitete Anchet-chepru-Re die Arme aus und segnete – mit Geißel und Krummstab in ihren Händen – zum Abschied ihr Volk und die Stadt Achet-Aton.
    Wie tausendfach geübt fielen die Ruderblätter ins Wasser, und bereits der erste Ruderschlag

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