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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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führte, gegenüber, und das Spalier, das sie gebildet hatten, war undurchdringlich. Obwohl unser Gang zum Tempel Atons eher dem Triumphzug eines Eroberers in einer unterworfenen Stadt glich als dem Krönungszug eines ägyptischen Herrschers inmitten des eigenen Volkes, waren die Menschen, die unseren Weg säumten, fröhlich, jubelten und winkten ihrer Herrscherin zu und schienen die Heerscharen von Soldaten, die sie von ihrer Königin abriegelten, gar nicht wahrzunehmen.
    Wir durchschritten den Torturm des Tempels und ließen die tosende Menge hinter uns zurück. Ein vielstimmiger Gesangdes Tempelchores begleitete uns durch die ersten beiden Höfe, bis wir schließlich im Allerheiligsten angelangt waren, wo Nofretete mit ihrer Tochter die Stufen des Podiums, welches nur den Herrschern der Beiden Länder vorbehalten war, emporstieg. Beide legten auf dem Altar Opfergaben nieder, gossen aus goldenen Kannen Wasser darüber und blickten dann zu ihrem Vater Aton empor, dessen Strahlen durch schwerfällig nach oben drängende Weihrauchnebel hindurch das Opfer berührten und es so annahmen.
     
    Drei Tage und drei Nächte feierte Achet-Aton und mit ihm ganz Ägypten die neue Herrscherin. Die Fürsten Ägyptens huldigten ihrer Königin ebenso wie der Königssohn von Kusch und seine edlen Begleiter. Die Gesandten der Fremdländer überbrachten die Grüße und die Geschenke ihrer Könige, und für einen Augenblick schien es, als wäre die Welt so unverändert und die Freunde und Geschenke so zahlreich wie vor zwanzig Jahren. Die Menschen tanzten und sangen, sie aßen und tranken, sie stritten, und sie liebten sich. Und kaum dass der eine Festabend geendet hatte, wurde schon mit den Vorbereitungen für den nächsten begonnen.
    Nofretete ernannte Aper-el zum Bürgermeister von Achet-Aton und zum Vorsteher aller Arbeiten Ihrer Majestät. Sie erhob Maja, den Schreiber Echnatons, zum Vorsteher aller Paläste Ihrer Majestät und Tutanchaton zum Zweiten Sehenden des Aton.
    Sie hatte Wort gehalten.

FÜNF
    Mache dir einen schönen Tag!
    Deine Lebenszeit sei täglich schön,
    bis du erreichst die Stadt der Ewigkeit.
     
    D as Alter hatte mich misstrauisch werden lassen.
    Die Festtage verliefen in einer Friedfertigkeit, in einer Eintracht, die ich so nicht erwartet hatte. An jeder Feier durfte Tutanchaton widerspruchslos teilnehmen. Es war nicht zu übersehen, dass er stets einen Ehrenplatz neben mir oder neben seiner Großmutter Teje erhielt, und einmal glaubte ich sogar gesehen zu haben, dass Nofretete dem Jungen ein freundliches Lächeln schenkte. Während all dieser Tage ließ ich ihn nicht aus den Augen. Ich begleitete ihn, wenn er aus dem Festsaal ging, um im Palastgarten die Kühle des Abends zu genießen und um mit anderen Kindern zu spielen. Wollte er nach Hause gehen, verließ ich ebenfalls das Fest, ohne erst nach einem Vorwand zu suchen, denn man hätte ihn mir ohnehin nicht geglaubt. Es mag sein, dass mancher mir hinterherlächelte, wenn ich Hand in Hand mit dem Kind den Festsaal verließ. Doch solange Nofretete und mit ihr Tausende Soldaten, die ihr bedingungslos ergeben waren, in der Stadt weilten, wollte ich keiner noch so unbedeutenden Laune des Schicksals die Möglichkeit geben, mir den Jungen zu nehmen. Natürlich war mir bewusst, dass ich Tutanchaton irgendwann loslassen musste, dass ich ihn an ein Maß von Freiheit und Selbständigkeit gewöhnen musste,welches es ihm möglich machte, einmal ein eigenständiges Leben zu führen, ohne dass ich ihn bei jedem Schritt an die Hand nahm. Es würde eines Tages geschehen, da war ich mir sicher, und im Augenblick hoffte ich nur, dass er angesichts meines Alters ein wenig schonend mit mir umgehen würde.
    Hatte meine Tochter den Jungen während der Festlichkeiten täglich zu sehen bekommen, legte ich nun Wert darauf, dass er und ich jetzt etwas zurückgezogener lebten. Nofretete sollte dies auch als eine Art Anerkennung verstehen, weil sie Wort gehalten und dem Prinzen das versprochene Amt verliehen hatte. Dagegen war es mir nicht wichtig, in all die Vorbereitungen ihrer bevorstehenden Abreise eingebunden zu werden, denn dies hätte mir nur zu deutlich vor Augen geführt, dass ich im Grunde für den Rest meiner Tage wie ein Gefangener in dieser Stadt leben würde. Denn solange mein Schützling diese Stadt nicht verlassen durfte, lebten wir beide im Herzen Ägyptens wie in Verbannung.
     
    Obwohl mir der Abschied von meiner eigenen Tochter bevorstand, war ich doch von Herzen

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