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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Nassib», gab sich mein Schützling geschlagen und schien sich schon damit abgefunden zu haben, dass er künftig den Spitznamen Nassib trug, und tatsächlich blieb dieses merkwürdige Wort von nun an der Kosename Tutanchatons. Auch ich nannte meinen Schützling schon wenige Tage später nur noch Nassib. Mir war es sogar ganz recht, denn mit diesem Namen hoffte ich, ungebetenen Besuchern gegenüber die Gleichstellung des Prinzen mit dem Namen Tutanchaton verschleiern zu können.
     
    Nassib war jetzt über sechs Jahre alt, der Tod seines Vaters lag ein Jahr zurück. Er und seine Freunde Abu, Merimeri, Sessu, oder wie sie alle hießen oder besser sich selbst nannten, hatten meinen Palast und meinen Garten längst zu ihrem Reich erklärt, in dem sie herrschten wie nubische Kleinfürsten. Hier hatte die wahre Herkunft keine Bedeutung. Das galt selbst für Tutanchaton, denn anders als in den Palästen Echnatons fiel hier auf meinenausdrücklichen Befehl hin niemand vor ihm nieder, wenn er eintrat oder einen Wunsch äußerte. Gewiss hatte sich meine Dienerschaft vor ihm zu verbeugen; doch das mussten sie vor Nassib ebenso wie vor Sessu und Abu. Wer in meinem Hause der Anführer sein wollte, entschied sich Woche für Woche neu: Einmal war die Schnelligkeit beim Wettlauf ausschlaggebend, ein andermal die Treffsicherheit mit Pfeil und Bogen oder mit dem Wurfholz.
    Nur ihre Leistungen im Unterricht schienen kein tauglicher Maßstab gewesen zu sein, denn dann wäre stets Merimeri, der Schwächlichste von allen, ihr Häuptling gewesen.
     
    Das Getuschel und Geflüster um mich herum wurden immer leiser, bis es mich der Dämmerschlaf, in den ich um die Mittagszeit im Schatten eines Baumes gesunken war, gar nicht mehr vernehmen ließ. Doch war mir irgendwann die Ruhe zu unheimlich, und mit einem nur leicht geöffneten Auge suchte ich deswegen meine Umgebung nach den Kindern ab. Ich wähnte sie bald im Inneren des Palastes, auch dort war es jedoch auffallend still, zu still, als dass sie hier ihr Lager aufgeschlagen haben konnten. Ich redete mir ein, dass es für die ungewohnte Ruhe gewiss eine einfache Erklärung gab; dennoch beschlich mich mehr und mehr ein ungutes Gefühl, und so beendete ich meine Rast und ging hinein, um nachzusehen.
    Alle Diener beteuerten, sie hätten die Kinder seit gewiss ein oder zwei Stunden nicht mehr gesehen und gehört. Ich kehrte in den Garten zurück und rief mehrmals laut nach Nassib und den anderen, doch es blieb still.
    «Komm mit mir!», befahl ich meinem Diener Ipu, der jetzt ebenfalls aus dem Haus gekommen war, und ging mit ihm zu den Stallungen. Aber auch hier war keines der Kinder anzutreffen. Wir bogen gerade in meine Obstgärten ein, als uns ein Eselgespann begegnete, das offenbar vom Hafen kam, da es Weinkrüge geladen hatte.
    «Sind dir Kinder begegnet?», rief Ipu dem Alten, der den Eselführte, schon von weitem entgegen und ergänzte gleich: «Sechs, sieben Jahre alt. So groß etwa», und dabei hielt er sich die flache Hand vor den Bauch.
    Der Alte deutete vor mir eine Verneigung an und sagte dann: «Ja. Es ist schon eine Weile her. Da fielen mir im Hafen ein paar Kinder auf, die da wohl nicht hingehörten. Sie waren zu fein gekleidet, als dass ich sie für helfende Hände gehalten hätte.»
    Ich hatte mir schon überlegt, dass ich Ipu allein zum Hafen schickte, um die Kinder zurückzuholen, denn ihr Aufenthalt schien ja nun geklärt zu sein. Ich war aber neugierig geworden und wollte selbst sehen, was sie dort trieben.
    Wegen der Mittagshitze war im Hafen nur wenig los, und so schien es nicht schwer, sich nach vier entlaufenen Kindern durchzufragen. Aber niemand konnte uns so recht weiterhelfen, bis uns ein verschmutzter Straßenjunge weiter nach Süden zum Fischhafen schickte. Dorthin hätte er zwei Kinder laufen gesehen – mehr seien es aber gewiss nicht gewesen.
    Die Sache begann unheimlich zu werden, und schon war ich mir nicht mehr sicher, ob wir überhaupt noch auf der richtigen Fährte waren.
    «Der Größere von den beiden», brummte ein fast zahnloser Fischer, der sein Netz ausbesserte, unverständlich vor sich hin, «nahm sich einfach eines der kleinen Boote hier, rief den Kleinen zu sich und segelte mit ihm nach Norden.» Dabei machte er mit seinem Kopf eine ruckartige Bewegung in Richtung Chmenu, damit auch ich begriff, wo Norden war.
    «Sie ruderten nach Norden», verbesserte ihn ein anderer. Rechthaberisch und ohne von seinem Netz aufzublicken, brummte der Zahnlose noch

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