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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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einer Negerin: die wulstigen Lippen, die platte, breite Nase. Nur die weiße Haut passte nicht dazu.
    »Herr Missionar Freudenreich?«, fragte meine Mutter und trat ebenfalls an die Pforte.
    »Frau Hauck?«, fragte die weiße Negerin zurück.
    Meine Mutter nickte.
    »Herr Freudenreich ist auch noch nicht angekommen.« Auch meine Mutter bekam einen Brief und einen Zimmerschlüssel. »Abendessen um sechs. Frühstück um sieben. Geistige Getränke auf dem Zimmer sind verboten, ebenso wie Herrenbesuch und offenes Feuer. Ich wünsche angenehmen Aufenthalt.«
     
    Unser Zimmer war spärlich möbliert, zwei Betten, daneben Nachttischchen, auf denen Petroleumleuchten standen, darunter Nachttöpfe. An der Wand stand ein schmaler Schrank, an dem die Türen fehlten. Wir hatten ohnehin nicht vor, irgendetwas auszupacken. Sand knirschte unter meinen Füßen, als ich zum Fenster ging und den verblichenen Vorhang zur Seite schob.
    Über die breite Straße, auf die ich hinunterblickte, wehten Sandschwaden. Durch die Mitte zog sich ein Schienenstrang, zu beiden Seiten reihten sich Holzhäuser aneinander. Wie unser Hotel waren sie einmal in bunten Farben gestrichen gewesen, aber im Laufe der Jahre, Monate oder Wochen waren die Fassaden zur Unkenntlichkeit verblasst. Ich hörte, wie meine Mutter hinter mir den Briefumschlag aufriss, den ihr die Frau gegeben hatte.
    »Was schreibt er denn?«, fragte ich, ohne mich zu ihr umzudrehen.
    » Verehrte Frau Hauck, liebe Schwester in Christi! « , begann sie halblaut vorzulesen: » Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass es mir nicht möglich ist, Sie vom Hafen in Swakopmund abzuholen. Wir haben hier auf der Station eine ganz abscheuliche Lungenseuche, die unter den Rindern grassiert und meine Abkömmlichkeit verbietet. Ich werde Ihnen aber einen Ochsenwagen schicken, der Sie nach Bethanien bringen wird. In der Hoffnung, dass Sie eine angenehme Überfahrt hatten und in der Erwartung unseres baldigen Zusammentreffens überlasse ich Sie der gnädigen Fürsorge unseres guten Gottes und verbleibe als Ihr Bruder
    Immanuel Freudenreich. «
    Meine Mutter seufzte. Liebe Schwester in Christi. Vielleicht hatte sie sich das Zusammentreffen mit ihrem Zukünftigen doch ein wenig romantischer ausgemalt. Vielleicht war sie aber auch erleichtert, dass ihr noch ein bisschen Zeit blieb, bis sie sich begegnen würden.
    »Ich werde mich ein Stündchen ausruhen«, erklärte sie. »Bis zum Abendessen haben wir ja noch genügend Zeit.« Sie zog sich die Schuhe aus und legte sich dann in ihren Kleidern aufs Bett. An meinem Kopf surrte eine blau schimmernde Fliege vorbei. Sie stieß mit einem dumpfen Geräusch gegen die Fensterscheibe und fand doch kein Entkommen.
    »Dann gehe ich ein wenig spazieren.«
    Keine Antwort. Meine Mutter hatte die Hände unter der Brust gefaltet und die Augen geschlossen. Auf ihrer Stirn glänzte der Schweiß. Es war mir ein Rätsel, wie sie in dieser stickigen Luft schlafen konnte.
    Ich schlich auf Zehenspitzen durchs Zimmer und zog die Tür leise hinter mir ins Schloss.
     
    Draußen wehte der Wind noch stärker. Sand drang in meine Nase, meine Augen, meinen Mund. Ich legte die Hände vors Gesicht und wäre fast unter einen Ochsenkarren geraten, der plötzlich aus dem Nebel auftauchte. Vier Ochsen trotteten mit gesenkten Köpfen, als wäre ihnen das Gewicht ihrer riesigen Hörner zu schwer.
    »Hoo!«, schrie der dürre Hottentotte, der den Leitochsen führte, und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann schnalzte er mit der Zunge, genau wie die Bauern in Elberfeld.
    Ich ging an einem Hauseingang vorbei, in dem zwei kleine Negerjungen in geflickten Kleidern standen. Einer von ihnen trug einen flachen Damenhut, der aussah wie einer der Sommerhüte von Frau Künstner. Vielleicht war es ja sogar Frau Künstners Hut. Alle Kleidungsstücke, die so armselig waren, dass sie nicht einmal mehr für mich und meine Mutter taugten, schickte sie zu den Missionaren nach Afrika. Irgendein bedauernswertes Negerkind musste die Lumpen dann auftragen und durfte sich darüber hinaus vermutlich auch noch anhören, wie froh und dankbar man dafür sein müsse.
    Die breite Straße führte schnurgerade durch die Stadt und endete schließlich auf einem kleinen Platz. In seiner Mitte stand eine Palme. Ich hatte schon früher Palmen gesehen, im Botanischen Garten auf der Hardt, in dem wir sonntags oft spazieren gegangen waren, als mein Vater noch lebte. Aber das hier war etwas ganz anderes. Diese Palme war keine

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