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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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die von Schnecks waren ganz offensichtlich misstrauisch. Auf jeden Fall stellten sie eigene Nachforschungen an und als sie der Wahrheit auf die Spur kamen, wollten sie mich nicht mehr akzeptieren. Den Rest kennen Sie ja. Bethanien und Ihr Stiefvater waren sozusagen meine letzte Hoffnung, der Strohhalm, aus dem ich mich aus dem selbst verschuldeten Schlamassel ziehen wollte. Aber nun …«
    Ihr Blick glitt von ihren Händen ab, fiel auf den Lehmboden und blieb dort liegen.
    »Herr Freudenreich kann Sie doch nicht einfach so Ihrem Schicksal überlassen und wegschicken! Wo sollen Sie denn leben in Keetmanshoop, was sollen Sie dort anfangen?«
    »Das habe ich ihn auch gefragt.«
    »Und? Was hat er geantwortet?«
    Jetzt hob Fräulein Hülshoff den Kopf und sah mich an. Das Weiß ihrer Augen war von feinen roten Linien durchzogen wie Marmor. »Das hätte ich mir früher überlegen sollen, sagte er.«
    »Pah! Ich werde noch einmal mit ihm reden. Er kann Sie doch nicht einfach ins Elend stoßen.«
    »Es hat keinen Sinn, Henrietta.« Fräulein Hülshoff legte ihre Hand auf meine, als müsste sie mich trösten und nicht umgekehrt.
    »Dann schreibe ich an Pastor Cordes. Er ist ein viel großzügigerer Mann als Freudenreich. Er wird Sie aufnehmen.«
    »Pastor Cordes konnte mich nicht ausstehen«, sagte Fräulein Hülshoff sachlich, während sie sich erhob. Die niedrige Decke zwang sie in eine leicht gebückte Haltung. »Ich habe selbst schon sämtliche Möglichkeiten betrachtet, die sich mir bieten, und bin auf keine Lösung gekommen.«
    »Sie müssen wieder zurück nach Hamburg«, rief ich. »Ihre Familie muss Sie wieder aufnehmen!«
    »Zurück in mein Elternhaus? Nein, niemals.« Ihre Stimme klang auf einmal eisig. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, Henrietta. In einer halben Stunde erwartet mich Petrus und ich habe noch nicht gepackt.«
     
    Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Ich rannte zu Freudenreich und stellte ihn zur Rede. »Wie können Sie nur! Haben Sie denn kein Herz? Die arme Frau!«
    Er schraubte seinen Füllfederhalter sorgfältig zu und legte ihn auf ein Holzbrett neben dem Tintenfass. Nun erst schaute er mich an. »Die arme Frau?«, wiederholte er befremdet. »Was hat sie dir denn erzählt? Dass ich sie im Stich gelassen habe? Ich habe ihr wohl einen Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage angeboten. Aber sie wollte ihn durchaus nicht akzeptieren.«
    »Was für einen Ausweg?«, fragte ich verwirrt.
    »In Windhuk gibt es ein Heim für gefallene Mädchen und Frauen, das von der Rheinischen Missionsgesellschaft geführt wird. Ich wollte ihr einen Brief an die Heimleitung mitgeben und genügend Geld, sodass sie sich dem Ochsentreck anschließen kann, der in drei Tagen aus Keetmanshoop losgeht. In Windhuk würde man sie sicherlich aufnehmen, sofern sie Willen zur ehrlichen Umkehr und Reue zeigt. Aber das war dem Fräulein wohl nicht fein genug, jedenfalls hat sie dankend abgelehnt. Nun, sie wird sehen, was sie davon hat. Als Hausdame oder Gouvernante wird sie gewiss nicht unterkommen, es wäre ja auch eine rechte Gefahr, ihr unschuldige Kinder anzuvertrauen.«
    »Warum?«, fragte ich empört. »Sie ist klug, belesen und gebildet, dazu freundlich und geduldig. Dafür, dass sie einmal einen Fehler gemacht hat, kann man sie doch nicht für alle Lebzeiten bestrafen.«
    »Sie ist anmaßend und selbstgerecht, eitel und uneinsichtig«, erwiderte Freudenreich, während sich seine Raubtieraugen wieder in mein Gesicht bohrten. »Und du läufst Gefahr, dieselbe schiefe Bahn einzuschlagen wie sie, wenn du nicht achtgibst.« Daraufhin nahm er seinen Füllfederhalter wieder zur Hand. Das Gespräch war beendet.
     
    Ich rannte zu meiner Mutter in die Wohnstube. »Du wirst nicht glauben, was ich soeben erfahren habe«, keuchte ich und ließ mich neben ihr auf einen Stuhl fallen.
    Sie hob nicht einmal den Kopf von ihrer Näharbeit. »Was ist denn passiert?«
    Ich erzählte ihr, was mir Fräulein Hülshoff erzählt und Freudenreich dazu gesagt hatte. Aber noch bevor ich meinen Bericht beendet hatte, war mir klar, wie sie reagieren würde. Meine Mutter mochte Fräulein Hülshoff nicht. Sie bereute längst, dass sie sie mit nach Bethanien genommen hatte. Und sie würde sich ganz gewiss nicht gegen Freudenreich auflehnen, nur um dem eingebildeten Frauenzimmer, wie sie Fräulein Hülshoff immer nannte, zu helfen.
    »Was sagst du dazu?«, fragte ich.
    »Eine bedauerliche Situation.« Sie biss den Faden von ihrer

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