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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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ist, das du neulich nach Keetmanshoop gebracht hast?«, fragte ich ihn.
    Er hörte auf zu fegen und starrte mich ausdruckslos an. Heute trug er eine blau-weiße Matrosenmütze zu einer karierten Weste. Wo nahm er bloß immer diese abscheulichen Kleidungsstücke her?
    Als er nicht reagierte, wiederholte ich die Frage, wobei ich noch langsamer und deutlicher sprach. Immer noch keine Reaktion. Er verstand mich einfach nicht. Es war ja auch egal. Selbst wenn er mir hätte sagen können, ob Fräulein Hülshoff nach Windhuk oder zurück nach Swakopmund oder in irgendeine andere Stadt gefahren war, was würde mir das nützen? Ich saß hier in Bethanien fest, ohne Geld, ohne Verbindungen, ich konnte ihr nicht helfen.
    Von einem Moment zum anderen standen meine Augen voll Tränen. Ich bückte mich rasch, damit er sie nicht sah.
    »Vielleicht Petrus kennt Name von Straße, wohin ist gefahren Fraulein«, sagte er.
    Mein Kopf schoss wieder nach oben. »Du kennst ihre Adresse? Wie lautet sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Vielleich’ ich kenn’.«
    Jetzt begriff ich. Er wollte mir die Information verkaufen. »Wie viel willst du dafür haben?«
    Seine Augen wurden einen Moment lang ganz schmal, dennoch sah ich die Gier darin aufleuchten.
    »Ich hab kein Geld«, sagte ich hastig. »Aber ich kann dir … etwas anderes geben.« Tatsächlich? Was konnte ich ihm bieten, damit er mir Fräulein Hülshoffs Adresse nannte? »Meine Kette!« Ich zog das Band aus der Bluse, an dem der Schutzengel hing, den mir Eva zum Abschied gegeben hatte. »Das ist echtes Gold.« Oder zumindest echtes Messing, aber der Unterschied kümmerte einen Hottentotten bestimmt nicht. »Wenn du mir die Straße nennst, bekommst du sie.«
    Petrus’ Augen wanderten von meinem Gesicht zu dem Anhänger und wieder zurück.
    »Was ist?«, fragte ich ungeduldig.
    Er schüttelte wieder den Kopf, wandte sich ab und spuckte verächtlich in die schmutzige Streu. Er hatte sich wohl mehr erhofft. Unverschämter, gieriger Bursche.
    Meine Mutter wurde jeden Tag ein bisschen schwächer, aber ich merkte es nicht. Ich war viel zu sehr mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt. Mit meiner Sorge um Fräulein Hülshoff. Mit meiner Wut auf Freudenreich und Susanna, die mir immer mehr Lasten und Pflichten auflud. Und nie war sie mit meiner Leistung zufrieden.
    »Nix gut«, bemerkte sie kopfschüttelnd, nachdem ich fast eine Stunde lang die Diele, den Wohnraum, die Küche und unsere Kammer gefegt hatte. »Alles voll Sand.«
    »Natürlich ist alles voller Sand«, gab ich wütend zurück. »Während ich ihn unten noch aus dem Haus fege, fliegt er ja durch die Fenster wieder herein.«
    Sie nahm mir wortlos den Besen aus der Hand und fegte die Diele mit schnellen, kurzen Bewegungen aus. »Siehst du?«, fragte sie hinterher.
    Der Boden wirkte tatsächlich erheblich sauberer, aber das gab ich natürlich nicht zu. »Nichts sehe ich«, meinte ich nur und warf den Kopf in den Nacken.
    Abends stellte mich Freudenreich zur Rede. »Mir ist zugetragen worden, dass du es Susanna gegenüber an Respekt mangeln lässt.«
    Ich schnappte nach Luft. Susanna war eine Negerin, eine einfache Dienstbotin. Durch Freudenreichs Heirat mit meiner Mutter war ich ihr vorgesetzt. Wenn hier also einer dem anderen Respekt schuldete, dann sie mir.
    »Sie lässt mich den ganzen Tag schuften«, verteidigte ich mich mürrisch. »Und sosehr ich mich auch abmühe, ständig hat sie etwas an meiner Arbeit auszusetzen.«
    Freudenreich hob seinen Kopf nur ein kleines Stück, aber ich konnte sehen, wie seine Augen zu glimmen begannen. »Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz«, zitierte er leise aus der Bibel. »Und Hochmut kommt vor dem Fall.«
    »Ich bin nicht stolz«, widersprach ich empört. »Und ganz gewiss nicht hochmütig. Aber Susanna behandelt mich wie das niedrigste Dienstmädchen. Da ist es mir früher auf dem Kratzkopp noch besser ergangen. Zumindest bekam ich damals hin und wieder ein paar Groschen für meine Arbeit.« Die letzten beiden Sätze waren eigentlich für meine Mutter bestimmt, die sofort zu husten begann. Sie zog ein Taschentuch aus dem Rock, presste es vor den Mund und verließ in gebückter Haltung den Raum.
    Es stimmte gar nicht, was ich da sagte. Susanna behandelte mich nicht schlechter, als Frau Künstner oder Rosa es getan hatte. Und einen Lohn für meine Arbeit hatte ich damals auch so gut wie nie bekommen. Aber als ich noch auf der Kohlstraße gelebt hatte, hatte ich Freunde gehabt.

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