Im Land des Regengottes
in der flachen, baumlosen Gegend so früh bemerken, dass ich mich rechtzeitig bedecken konnte. Vielleicht würde mich der Fahrer ja auch ein Stück mitnehmen.
Mein rechter Fuß begann fürchterlich zu brennen. Ich zog meinen Schuh aus und sah, dass sich an der Ferse eine blutige Blase gebildet hatte. Ich hatte kein Verbandszeug dabei, also zog ich zwei weitere Paar Socken über meine Strümpfe und schlüpfte wieder in die Schuhe, aber schon nach wenigen Schritten saß ich erneut am Straßenrand und zerrte die Schuhriemen auf.
Die Nama-Frauen in der Missionsstation liefen alle barfuß, vielleicht war das ja die Lösung. Ich beschloss, meinen Weg ebenfalls ohne Schuhe fortzusetzen.
Doch auch das Barfußlaufen hielt ich nicht lange durch. Die vielen spitzen Steine im sandigen Boden bohrten sich wie Dornen und Nadeln in meine Fußsohlen. Wie konnten die Eingeborenen das nur ertragen? Sie mussten eine Haut wie Leder haben. Ich rieb meine brennenden Füße. Wenn ich wenigstens gewusst hätte, wie viele Kilometer ich schon zurückgelegt hatte und wie viele ich noch gehen musste. Dem Sonnenstand nach musste es Mittag sein. Vielleicht war es ja am klügsten, die heißen Mittagstunden unter einem Baum zu verbringen, so wie man es auch auf den Ochsentrecks tat. Aber inzwischen hatte man mein Verschwinden in Bethanien sicherlich schon bemerkt und suchte nach mir. Nein, ich durfte mich nicht aufhalten, ich musste weiter.
Ich trank einen Schluck aus meiner Kalebasse und kämpfte mit der Versuchung, den Rest des Wassers über meine schmerzenden Füße zu kippen. Eine solche Verschwendung konnte ich mir nun wirklich nicht erlauben.
Seufzend zog ich sämtliche Socken und den linken Schuh wieder an, nahm den rechten in die Hand und setzte meinen Weg fort.
Als ich mir ein Loch durch alle drei Strümpfe gelaufen hatte, hörte ich hinter mir das Rattern von Wagenrädern. Hastig zog ich mein Umschlagtuch über den Kopf und blickte mich verstohlenen um. Ein Ochsengespann schob sich über den gewundenen Baaiweg auf mich zu. Auf dem Bock saß ein Schwarzer mit einem Strohhut auf dem Kopf, an dem eine blaue Feder steckte.
Kurze Zeit später trotteten die Ochsen an mir vorbei. Ich senkte den Kopf, sodass das Tuch mein Gesicht verbarg. Aber auf diese Weise konnte ich natürlich auch selbst nichts sehen.
»He!«, hörte ich eine Männerstimme brüllen, nachdem der Wagen mich fast überholt hatte. »Wen haben wir denn da? Das ist ja gar kein Kaffernweib! Anhalten!«
»Ho!«, machte der Hottentotte auf dem Bock und zog die Zügel an. Mein Herz schlug schneller. Ich schielte besorgt unter meinem Tuch hervor. Gott sei Dank, es waren Weiße. Hinten auf der Ladefläche des Wagens hockte eine Handvoll deutscher Soldaten.
»Natürlich ist das keine Negerin«, rief sein Kamerad. »Das hab ich doch gleich gesagt. Wo soll’s denn hingehen?«
Die letzten Worte waren an mich gerichtet, aber ich tat, als hätte ich sie nicht gehört. Der laute, rüpelhafte Ton der Männer gefiel mir nicht. Ich beschloss, einfach weiterzugehen, vielleicht konnte ich sie dadurch abschütteln.
Aber das war natürlich Wunschdenken.
»Bist du taub?«, schrie der Erste wieder. »Wohin des Weges, haben wir gefragt!«
Nun blieb ich doch stehen. Mein Herz hämmerte laut. Ich würde den Männern bestimmt nicht auf die Nase binden, dass ich nach Keetmanshoop wollte. »Ich möchte nicht mit Ihnen reden.« Zu meinem Ärger zitterte meine Stimme.
»Ach, du möchtest nicht mit uns reden?«, äffte mich der zweite Soldat mit einer affektierten, hohen Stimme nach. Die Männer duzten mich, als ob wir uns schon lange kannten. Die ganze Angelegenheit gefiel mir immer weniger.
»Lassen Sie mich in Ruhe«, warf ich ihm über die Schulter zu, bevor ich mich wieder in Bewegung setzte. Autsch, verflixt, wenn nur mein Fuß nicht so wehtun würde.
»Habt ihr das gehört, Männer?«, höhnte der Mann. »Die Kleine ist ganz schön frech! He, Süße! Dir fehlt ein Schuh. Und dein Strumpf hat ein Loch, hast du das eigentlich schon bemerkt? Da wird deine Mutti aber schimpfen, wenn du wieder nach Hause kommst.«
Der Scherz war nicht besonders lustig, trotzdem bogen sich seine Kameraden vor Lachen. Vielleicht waren sie betrunken. Halt dich fern von Betrunkenen, hatte meine Mutter immer gesagt. Sie haben ihren Verstand verloren und benehmen sich wie die Tiere. Ich ging schneller, ich rannte jetzt fast. Als ob ich eine Chance hätte, ihnen zu entkommen.
Vielleicht war das die Strafe, die
Weitere Kostenlose Bücher