Im Land des Regengottes
der harte Fußboden, das war alles, was ich mir wünschte.
Ich trat von einem schmerzenden Fuß auf den anderen. Nirgends war eine Menschenseele zu sehen. Auch das alte Paar, das mich mitgenommen hatte, war inzwischen hinter einer Tür verschwunden.
Da! Dort hinten vor der letzten Hütte regte sich etwas. Ein Schwarzer trat aus der Tür und ging über die Straße zu einem Wagen. Ich musste ihn ansprechen. Hoffentlich verstand er wenigstens ein paar Brocken Deutsch.
»Bitte entschuldigen Sie!« Der Mann hievte gerade eine Kiste aus dem Wagen. Jetzt blickte er mich irritiert an. Ich hastete näher. Als ich ihn fast erreicht hatte, hörte ich das Grölen und Lachen und Gebrüll, das aus der offenen Tür auf die Straße drang. Im selben Moment sah ich den Strohhut mit der Feder auf dem Kutschbock liegen. Und dann erkannte ich den Schwarzen. Es war der Kutscher, der vorhin die Soldaten gefahren hatte. Offenbar hatte er mich auch wiedererkannt, jedenfalls hob er erschrocken eine Hand, als wollte er mich abwehren. Alarmiert wich ich einen Schritt zurück, aber es war schon zu spät. Zwei der Soldaten torkelten auf die Straße. Wie ein Liebespaar umfassten sie einander bei den Schultern, schwankend gingen sie auf den Kutscher zu.
»Wird’sss bald?«, lallte der Größere der beiden. »Wie lange willst du uns noch warten lassen?«
In ihrer Trunkenheit nahmen sie mich gar nicht zur Kenntnis. Vielleicht hätte ich Glück gehabt, vielleicht wären sie wieder weggegangen, ohne mich zu bemerken. Wenn der Kutscher seine Kiste genommen hätte und einfach zurück ins Haus gegangen wäre. Aber er blieb wie angewurzelt stehen und starrte in meine Richtung, als wäre ich der Geist seiner verstorbenen Großmutter. Und die Augen der beiden Männer folgten seinem Blick.
»Ja, wen haben wir denn da?«, rief der Größere begeistert. »Wenn das nicht unser kleines deutsches Fräulein ist!«
Der andere rülpste. Er blinzelte mich angestrengt an, offensichtlich hatte er Mühe, mich zu fixieren. Dann leuchteten seine glasigen Augen auf. »Das issie wirklich«, stammelte er. »Teufel noch eins. Wassein Zufall.« Er rülpste noch einmal und wollte zu meiner Erleichterung zurück ins Haus, aber sein Kamerad hielt ihn zurück.
»Warum laden wir das Fräulein nicht auf einen Schnaps ein?«
»Nein«, rief ich. »Auf keinen Fall!«
»Auf keinen Fall!«, wiederholte der Kleinere mit hoher Fistelstimme.
Der andere Soldat schlug sich auf die Schenkel und lachte. »Wir nehm’ssie mit«, erklärte er dann.
Als sie auf mich zustolperten, ließ ich mein Bündel fallen, drehte mich um und rannte los. Ich rannte an den Hütten vorbei in die Dunkelheit hinein, die sich inzwischen über der Wüste ausgebreitet hatte. Meine Angst und der Ekel vor den Besoffenen ließen mich meine blutigen Füße genauso vergessen wie die Dornen und spitzen Steine auf dem Weg. Ich achtete nicht auf die Richtung, ich rannte um mein Leben. Hinter mir hörte ich die beiden Soldaten keuchen. Und es waren nicht nur die zwei Männer, die mir folgten. Nach ihnen kam der Rest ihrer Truppe, gefolgt von dem Kutscher und dem alten Mann und seinem verrückten Weib. Das ganze Dorf jagte mich und wenn man mich erwischte, würde es mir übel ergehen.
Aber man würde mich nicht erwischen.
Ich rannte so lange, bis meine Lunge fast platzte und die Stiche in meiner Seite unerträglich wurden. Dann blieb ich stehen. Um mich herum war alles dunkel und still. Ich war allein. Meine Verfolger hatten die Jagd längst aufgegeben. Wenn mich überhaupt jemand verfolgt hatte. Ich schlang meine Arme um meine Brust und kauerte mich auf den Boden.
Vom Laufen war ich nass geschwitzt, aber schon jetzt begann ich zu frösteln. Es war so kalt. Hier draußen konnte ich unmöglich die Nacht verbringen. Ohne eine Decke und wärmere Kleidung würde ich erfrieren. Warum war ich nur so blöd gewesen, das Bündel mit meinen Sachen fallen zu lassen? Nicht nur meine Kleider, auch mein Proviant war in meinem Gepäck. Und ich hatte den ganzen Tag so gut wie nichts gegessen. Wahrscheinlich hatten die Soldaten das Bündel aufgehoben und warteten jetzt in aller Seelenruhe darauf, dass ich wieder zurückkam, um es zu holen.
»Da könnt ihr lange warten«, murmelte ich finster. Lieber erfror oder verhungerte ich, als dass ich mich in die Hände dieser Widerlinge begab. Ein kalter Windstoß fegte über den Boden, fuhr mir durchs Haar und zerrte an meinem Rock, als wollte er mich verspotten.
Ich musste zurück in
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