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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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den Weiler. Aber ich fand nicht mehr zurück. Es war inzwischen stockfinster und die Häuser des kleinen Dorfs waren nicht erleuchtet. Als ich vorhin geflüchtet war, musste ich den Weg verlassen haben. Bei jedem Schritt stolperte ich nun über Steinbrocken, dürre Grasbüschel oder dorniges Gestrüpp. Neben mir raschelte es. Erschreckt hielt ich den Atem an. Fräulein Hülshoff hatte mir oft von den gefährlichen Giftschlangen erzählt, die es in Südwest gab. Die schwarze Mamba, die Puffotter, die grüne Baumschlange. Ein einziger Biss und man war verloren. Bei diesen Temperaturen lagen die Reptilien vermutlich in einer Art Kältestarre. Aber wenn ich nun mit meinen halb nackten Füßen versehentlich auf eine Schlange trat, würde sie vielleicht doch reagieren und zuschnappen.
    Ich ließ mich wieder in die Hocke sinken. Meine Hand griff nach Evas Schutzengel. Neben mir raschelte es noch einmal, danach war alles ruhig. Diese Stille! In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine solche Stille gehört wie hier in Afrika. Sie rauschte, sie dröhnte, sie brauste in meinen Ohren.
    Dann ein Schluchzen. Das war ich selbst. Wäre ich doch bloß niemals in dieses verdammte Land gekommen.

 
13
     
    Trotz der Kälte und meiner Angst musste ich in einen unruhigen Dämmerschlaf gefallen sein. Als ich aufwachte, war mein Körper steif und meine Gliedmaßen waren taub. Ich massierte meine gefühllosen Beine und unterdrückte ein Wimmern, als das Blut langsam in meine kalten Füße zurückfloss.
    Dann sah ich das Licht.
    Ein leuchtender Streifen in der Dunkelheit, wie ein hohes, schmales Fenster, hinter dem eine Kerze brennt. Es war ganz in der Nähe, vielleicht drei oder vier Meter von mir entfernt. Ich rappelte mich hoch. Verflixt, meine Beine fühlten sich an, als watete ich durch zähen Brei.
    Ich hauchte meinen warmen Atem in die eisigen Hände, während ich mich der Lichtquelle näherte. Es war wirklich ein Fenster. Vermutlich hatte ich mich gar nicht so weit vom Weiler entfernt. In meiner Panik war ich im Kreis um die Hütten herumgelaufen.
    Ich spähte durch einen halb offenen Fensterladen in das Innere einer Hütte. Ich sah einen Tisch, an dem der alte Baster saß, der mich auf seinem Karren mitgenommen hatte. Vor ihm leuchtete eine Petroleumlampe. Er rauchte seine Pfeife, immer noch oder schon wieder. Hinter ihm erkannte ich eine niedrige Pritsche, auf der jemand schlief, vermutlich sein zahnloses Weib. Daneben stand mit hängendem Kopf der Esel. Offensichtlich hatten die beiden nur diesen einen Raum, der gleichzeitig als Stall diente. Weil es nur ein Bett gab, wechselten sie sich mit dem Schlafen ab. Vielleicht wachte der Mann auch, weil er wie ich Angst vor den betrunkenen Soldaten hatte.
    Es hatte keinen Sinn, anzuklopfen und um Obdach zu bitten. Die beiden hatten nichts, was sie mit mir hätten teilen können. Ich hätte nur die alte Frau aus dem Schlaf gerissen und das wollte ich nicht.
    Ich tastete mich an der Lehmwand des Hauses entlang zur Straße. Der klapprige Wagen stand immer noch vor der Tür. Die beiden Alten hatten ihn inzwischen abgeladen, auf der Ladefläche lagen nur noch leere Rupfensäcke. Bevor ich richtig darüber nachgedacht hatte, was ich tat, kletterte ich auf den Karren. Ich hob einen Sack hoch. Er starrte vor Schmutz und roch fürchterlich muffig. Ich breitete ihn auf der Ladefläche aus, legte mich darauf und deckte mich mit dem Rest der Säcke zu. Es war ein hartes Lager und natürlich hielt mich der Rupfenstoff auch nicht warm. Die Kälte drang von allen Seiten durch die groben Fasern. Ich rollte mich so klein wie möglich zusammen, um ihr so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten.
    Hoch über mir stand der Mond und strahlte silbern und verächtlich auf mich herunter. »Das hast du nun von deiner Unvernunft«, flüsterte er mir zu. »Wärst du nur in Bethanien geblieben.«
    »Lass mich in Ruhe«, murmelte ich, drehte den Kopf zur Seite und schlief ein.
    Bei Sonnenaufgang weckte mich der alte Mann. Während ich mir noch den Schlaf aus den Augen rieb, überschüttete er mich mit einem Schwall Kapholländisch. Vermutlich war er ärgerlich, dass ich seinen Wagen als Schlafstatt benutzt hatte. Neben ihm stand der Esel und musterte mich erstaunt. Ich murmelte eine Entschuldigung und kletterte vom Wagen. Mein Körper war steif vor Kälte. Wenn ich ausgerutscht und zu Boden gefallen wäre, wäre ich wahrscheinlich in unzählige Eissplitter zersprungen. Außerdem hatte ich fürchterlichen

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