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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Finger der Frau rochen leicht nach Zwiebeln und getrocknetem Fleisch. Als sie die Hütte wieder verließ, fiel das Mondlicht auf ihr Gesicht.
    Es war Petrus’ Mutter.
     
    Als ich wieder aufwachte, schien die Sonne ins Zelt. Petrus Schwestern lagen auf ihren Pritschen und schnarchten leise. Sie rührten sich auch dann nicht, als Petrus in der Öffnung der Hütte auftauchte. Während ich mich aufsetzte, fielen mir die Ereignisse der vergangenen Nacht wieder ein. Das Fest, die Pfeife, der Fluss. Petrus, der mich geküsst hatte. Seine Mutter an meinem Bett.
    Jetzt gab er mir ein Zeichen, zu ihm herauszukommen.
    Aus dem Halbdunkel der Hütte kroch ich ins gleißende Sonnenlicht. Es war ein Gefühl, als ob mir jemand mit einer Eisenstange auf den Schädel schlug.
    Der Platz vor den Hütten sah aus wie ein Schlachtfeld. Vor der Feuerstelle lagen ein paar Männer kreuz und quer durcheinander wie Tote. Das Branntweinfass war leer. Einige Frauen hockten im Schatten einer Hütte, die jüngeren Kinder spielten mit einer durchlöcherten Konservendose.
    »Was ist denn los?«
    »Wir müssen weg«, sagte Petrus.
    »Wie bitte? Ist etwas passiert?«
    »Pack deine Sachen zusammen. Ich bringe dich nach Warmbad.«
    Ich schlug meine Kleider, die Bibel und das Gesangbuch und den Rest meiner Habseligkeiten in eine Decke, band die Enden zusammen und warf sie mir auf den Rücken. Ich gab mir keine Mühe, leise zu sein, trotzdem wachten Petrus’ Schwestern nicht auf.
    »Ich verstehe nicht, was das Ganze soll.«
    Petrus antwortete nicht. Er nahm mir mein Kleiderbündel ab und reichte mir stattdessen einen kleinen Sack mit Proviant und eine Kürbisflasche.
    »Komm«, sagte er nur.
     
    Ich verließ das Nama-Dorf mit gesenktem Kopf, meinen Proviantsack gegen die Brust gepresst. Ich verabschiedete mich von keinem, ich bedankte mich nicht für die Gastfreundschaft, ich ging einfach weg. Obwohl Petrus’ Mutter nicht bei den Frauen war, die vor der Hütte im Schatten hockten, spürte ich ihre Blicke in meinem Rücken wie Hände, die mich von sich schoben. Weg mit dir, verschwinde!
    Warum war sie in der Nacht in meine Hütte gekommen? Ob ich Petrus davon erzählen sollte? Wahrscheinlich wusste er es ohnehin. Sie hatte beobachtet, wie wir uns unten am Fluss geküsst hatten. Und heute Morgen hatte sie ihm aufgetragen, mich wegzubringen.
    »Tust du immer, was deine Mutter dir befiehlt?«, fragte ich Petrus.
    Er antwortete nicht.
    »Feigling«, stieß ich ärgerlich hervor.
    Er blieb stehen und sah mich an. »Ich mache, was mir mein Hirn befiehlt. Du kannst nicht hierbleiben.«
    »Warum nicht?«
    »Du passt nicht zu meinen Leuten. Der Unterschied ist zu groß.«
    »Deine Leute haben doch gar nichts gegen mich. Es ist deine Mutter, die mich loswerden will.«
    Wie wütend ich auf einmal war. Du passt nicht zu meinen Leuten. So eine Unverschämtheit, wie konnte Petrus es wagen, so mit mir zu sprechen. Und wie lächerlich er aussah in seiner Verkleidung, die er jetzt wieder angelegt hatte, Das karierte Jackett über dem nackten Oberkörper, das alberne Jägerhütchen auf dem Kopf. Was war nur mit mir los gewesen, dass ich ihn angehimmelt hatte, als hätte ich keine Augen im Kopf und keinen Sinn und Verstand? Wie hatte ich mich gestern bloß dazu hinreißen lassen können, ihn zu küssen?
    »Du weißt nichts«, sagte er jetzt. »Du verstehst nichts.«
    Ich wollte etwas Bissiges entgegnen, aber im selben Moment begann die Eisenstange wieder auf meinen Schädel zu hämmern. Ich stöhnte leise und massierte meine Schläfen.
    Petrus grinste.
    Das war nun wirklich der Gipfel, dieses Grinsen! Wenn mein Kopf nicht so fürchterlich wehgetan hätte, hätte ich ihm dafür das Gesicht zerkratzt, so zornig war ich jetzt.
    »Dagga«, sagte Petrus. Nur dieses eine Wort. Aber es genügte.
    Dagga. Natürlich. Das war in der Pfeife gewesen, die ich in der letzten Nacht geraucht hatte. Dagga, das hatte Fräulein Hülshoff mir erklärt, war eine wilde Hanfpflanze, die von den Hottentotten getrocknet und geraucht wurde, um sich zu berauschen. Im Dagga-Rausch waren mir Trude und Bertram erschienen. Deshalb hatte ich mich von Petrus küssen lassen.
    Nur deshalb?
    Ich dachte an seine Lippen auf meinem Gesicht, seine Zunge in meinem Mund, und spürte die Erinnerung als Ziehen in meinem Leib. Wie war ich nach dem Kuss in mein Bett gekommen? Petrus hatte mich auf den Boden gelegt, das wusste ich noch, danach löste sich alles in Nebelschwaden auf. Ob er mich …? Ob ich mit

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