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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Rändern konnte man bis hinauf in das Wellblechdach blicken. Neben der Wohnstube lag die Küche, dahinter das Schlafzimmer.
    »Mein Mann und mein Sohn kommen gleich vom Feld«, sagte Frau Sehl. »Sie werden sich freuen, Sie zu sehen. Wir bekommen so selten Besuch.«
     
    Sie waren so freundlich und gleichzeitig so fürchterlich. Die Art und Weise, wie sie über die Hottentotten sprachen, die auf ihrer Farm arbeiteten. Als wären sie Sklaven, schlimmer noch, Tiere, ohne Gefühle, ohne Verstand. Ich wollte ihnen widersprechen, ich wollte Petrus verteidigen . Die Schwarzen sind gar nicht so, wie Sie denken, jedenfalls nicht alle. Aber ich tat es nicht. Die Sehls würden mich nicht verstehen. Sie lebten seit acht Jahren im Land und hatten ihre Erfahrungen gesammelt, ich dagegen war ein Greenhorn, das gerade erst in Swakopmund von Bord gegangen war.
    »Es wundert mich wirklich, dass Ihr Stiefvater Sie einfach so hat ziehen lassen«, sagte Herr Sehl, als wir später in der Küche beim Abendessen saßen. »Er scheint ja ein großes Gottvertrauen zu haben. Weiß er denn nicht, dass es hier in der Gegend oft zu Hottentottenaufständen kommt? Also, ich möchte mir nicht ausmalen, was die mit einem jungen weißen Fräulein alles anstellen würden.«
    »Ich bin ja nicht allein. Petrus begleitet mich«, wandte ich ein.
    Frau Sehl schüttelte den Kopf. »Ja, aber man weiß ja nicht, ob er im Zweifelsfall nicht doch zu seiner eigenen Art halten würde. Wenn Sie wenigstens einen Wagen hätten. Aber zu Fuß durch dieses gefährliche Gebiet …«
    »Johann ist doch gerade drüben in Seeheim. Ich habe gehört, dass er weiter ins Kapland will. Vielleicht lässt er das Fräulein mitfahren?«, mischte sich jetzt ihr Sohn ein.
    »Das ist eine gute Idee!«, rief seine Mutter. »Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Bestimmt macht er das.«
    »Johann ist ein fahrender Händler«, erklärte sie mir, während sie mir noch einen Becher Ziegenmilch einschenkte. »Bei ihm sind Sie gut aufgehoben. Gregor, du bringst das Fräulein gleich morgen früh nach Seeheim und sorgst dafür, dass er sie auch wirklich mitnimmt.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, wandte sie sich dann an mich. »Wenn Johann Sie mitnimmt, sind Sie sicher. Sie werden sehen, es wird alles gut.«
    Sie tätschelte mütterlich meine Hand. Dann stand sie auf, um alles für die Nacht vorzubereiten. Ich erhob mich ebenfalls und trat zum Fenster, vor dem die Nacht hing wie ein schwarzer Vorhang. Der Mond war nirgendwo zu sehen.
    Wo Petrus wohl untergebracht war? Auf einem Strohhaufen oder auf dem blanken Fußboden? Hoffentlich hatten sie ihm wenigstens eine Decke gegeben. Ich hätte hinausgehen und nach ihm schauen können. Niemand hätte mich daran hindern können. Aber ich blieb am Fenster stehen.
     
    Ich träumte davon, dass Bertram versuchte, mir meine Bluse auszuziehen.
    »Der Neger hat dich gehabt«, zischte er. »Also brauchst du dich auch mir gegenüber nicht zu zieren.«
    Ich zierte mich und wehrte mich mit allen Kräften, doch er war stärker. Er riss mir die Kleider vom Leib und schleuderte sie zu Boden.
    »Bist du von Sinnen?«, schrie ich. »Was machst du denn nur?«
    »Was hast du denn getan?«, schrie er zurück. »Lügen hast du über mich verbreitet, nichts als dreckige Lügen, doch jetzt bekommst du die Quittung dafür.«
    Aber nun merkte ich, dass es gar nicht Bertram war, der das schrie, sondern Rudolf vom Kratzkopp. Ich kratzte und biss und trat nach ihm, aber es half nichts, Rudolf ließ erst von mir ab, als ich splitternackt war. Dann ließ er mich stehen und verschwand. Ich wollte meine Kleider zusammenraffen, aber sie waren ebenfalls weg. Erst jetzt merkte ich, dass ich auf einer Bühne stand. Die Sitzreihen im Saal waren gefüllt mit einem gaffenden, grölenden Publikum. Die Soldaten, die ich auf dem Weg nach Keetmanshoop getroffen hatte, waren darunter, Susanna und Herr Freudenreich. Und in der ersten Reihe saß meine Mutter und weinte.
    Dann wachte ich auf.
    Ich lag auf einer Kattel in der Stube. Die Tür zur Küche stand offen, im Herd flackerte noch die Glut. Erschrocken blickte ich zu dem Stuhl, auf den ich vor dem Schlafengehen meine Kleider gelegt hatte. Sie lagen alle noch da, niemand hatte sie weggenommen. Im Halbdunkel des Raumes zog ich mich an, dann zündete ich das Windlicht an, das Frau Sehl neben meinem Bett zurückgelassen hatte. Auf Zehenspitzen schlich ich zur Tür.
    Über den dunklen Hof huschte ich zum Stall. Die Tür quietschte

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