Im Land des Regengottes
dafür auch noch Hohn und Spott erntete. Je mehr ich danach strebte, zu ihnen zu gehören, desto mehr wiesen sie mich zurück. Es erging mir genauso, wie es einem Hottentotten ergangen wäre, den ein unglückliches Schicksal aus Afrika in die Kohlstraße katapultiert hätte. Auch er wäre von allen verlacht und abgewiesen worden.
Es gab Lichtblicke in meinem Leben. Manchmal lächelte mich eine von Petrus’ Schwestern unvermittelt an, aus Mitleid oder aus Versehen. Manchmal wandte sich eine der Frauen mir zu, redete freundlich mit mir, versuchte, mir etwas zu erklären, das ich dennoch nicht verstand. Dann keimte die Hoffnung in mir auf wie die kleinen gelben, violetten, roten Wüstenblumen nach der Regenzeit. Hoffnung darauf, dass eine wirkliche Verständigung, eine echte Freundschaft zwischen uns wider alle Vernunft möglich wäre. Eine Weile lang schwebte ich wie auf Wolken.
Aber es dauerte nie lange, bis ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückfiel.
Meine Zeit bei den Nama endete an dem Tag, an dem die Männer von der Jagd zurückkamen. Sie trafen am Mittag im Dorf ein. Einige von ihnen schleppten lange Stangen, von denen getrocknetes Fleisch baumelte. Andere trugen die Felle und die abgeschabten Häute der erlegten Tiere auf dem Rücken, wieder andere ihre Hörner und Klauen. Nur die Knochen und Eingeweide der Beute hatten sie in der Wüste zurückgelassen.
Die Frauen und Kinder begrüßten die Jäger mit schrillen Schreien und lautem Jubel. Dann wurde ein Feuer angezündet und ein Festmahl vorbereitet. Das ganze Dorf war in heller Aufregung, auch ich konnte mich der freudigen Erregung nicht entziehen.
Kurz bevor das Fest begann, kam Petrus. Seine Mutter hatte eine seiner Schwestern in die Missionsstation geschickt, um ihm Bescheid zu geben.
Bei Anbruch der Dunkelheit versammelten sich alle Dorfbewohner um das Feuer. Eine der Frauen verteilte getrocknetes Fleisch, eine andere riss große Stücke aus einem runden Maisfladen und verteilte sie unter den Anwesenden. Die Luft vibrierte von der Hitze des Feuers und von dem Klicken, Schnalzen, Lachen der Nama. Neben mir saß Petrus, ich hatte das Gefühl, dass ich die Wärme seines Körpers spüren konnte, obwohl wir einander nicht berührten.
Seit ich bei den Nama lebte, hatten wir niemals Hunger gelitten, aber das Essen war immer sehr knapp gewesen. Oft war ich abends mit einem knurrenden Magen schlafen gegangen, weil die Essensportionen so klein waren. Aber heute gab es für alle Essen im Überfluss. Fleisch, Maisbrot, Ointjes 11 und Kaktusfeigen, so viel jeder wollte. Die Männer hatten ein Fässchen Branntwein neben das Feuer gerollt und leerten es in großen Zügen. Ich sah fasziniert dabei zu, in welcher Geschwindigkeit sie ihre Kalebassen austranken. Ein besonders dürrer Kerl lag halb unter dem Fass, es fehlte nicht viel, dass er sich den Inhalt in seinen offenen Mund rinnen ließ. Ich fragte mich, ob einer der Männer Petrus’ Vater war. Petrus redete nicht über ihn. Immer wenn ich mich nach ihm erkundigte, wich er aus.
»Warum willst du denn nicht über ihn sprechen?«, hatte ich ihn vor ein paar Tagen gefragt. »Sag mir doch wenigstens, ob er noch am Leben ist.«
Ein Kopfschütteln, das war alles, was ich zur Antwort bekam.
Heute Abend hatte Petrus keinen der Männer besonders herzlich begrüßt. Vielleicht war sein Vater abgehauen und hatte seine Mutter im Stich gelassen. Vielleicht war es auch der dürre Kerl unter dem Fass und Petrus schämte sich für ihn. Ich wusste so gut wie nichts über Petrus und er wusste so gut wie nichts über mich. Einen Moment lang dachte ich an Bertram, bevor ich den Gedanken wieder verdrängte.
Nach dem Essen begannen ein paar der Frauen zu klatschen und zu singen, die anderen fielen ein, dann wurde getanzt. Eines der Mädchen sprang auf, stellte sich vor das Feuer und begann, seine Hüften zu schwenken. Der Bauch hüpfte vor und zurück, die kleinen spitzen Brüste tanzten im Takt, den die klatschende, stampfende Runde vorgab. Nach einer Weile trat es zurück und gab den Platz für das nächste Mädchen frei. Nach den Mädchen waren die Burschen an der Reihe, sie sprangen, stampften und kickten, als wären sie vom Teufel besessen.
Petrus stopfte seine Pfeife.
»Willst du nicht auch tanzen?«, fragte ich.
»Nein. Das ist nichts für mich.« Er zündete seine Pfeife an, nahm einen tiefen Zug, schloss die Augen und behielt den Rauch eine ganze Weile im Körper, bevor er ihn langsam wieder ausatmete.
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