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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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ratlos mit den Schultern. An dem zerfallenen Zaun, der den Hof umgab, war keine Glocke angebracht. Also drückte ich zaghaft gegen das Tor. Es ächzte so erbärmlich, als wollte es jeden Augenblick in sich zusammenbrechen.
    »Vielleicht ist es das falsche Haus«, sagte Petrus. »Vielleicht sollten wir …«
    Weiter kam er nicht. Denn um die Hausecke schoss plötzlich ein Höllenhund. Mit wütendem Gebell katapultierte er sich uns entgegen. Ich sprang mit einem Aufschrei zurück, aber natürlich hätte mir das wenig genützt, wenn der Hund nicht plötzlich angehalten hätte. Einen Meter vor uns blieb er hängen, die Vorderbeine ruderten in der Luft, das Maul schnappte ins Leere. Er hing an einer Kette.
    Petrus fluchte leise auf Nama.
    Ich klammerte mich an den morschen Gartenzaun. Der Hund knurrte und fletschte die Zähne. Seine Lefzen trieften. Das war ein Zeichen von Hunger, hatte ich einmal gehört, vielleicht war es sogar Fräulein Hülshoff gewesen, die mir das erklärt hatte.
    Im selben Moment kam Fräulein Hülshoff aus dem Haus. Sie sah genauso aus wie damals, als ich und Eva sie zum ersten Mal auf der Gertrud Woermann getroffen hatten. Sie trug ein eng geschnittenes, schwarzes Kleid mit blütenweißem Spitzenkragen und Lackschuhe mit kleinen Absätzen. Ihr Haar war auf dem Oberkopf zu einem Dutt geschlungen, zwei silberne Spangen hielten alles ordentlich zusammen, kein Haar tanzte aus der Reihe. In dieser verwahrlosten Umgebung wirkte sie wie eine Fata Morgana.
    »Henrietta«, sagte sie. »Das nenne ich aber eine Überraschung.« Aber ihre Stimme klang kein bisschen überrascht, sondern so, als hätte sie mich die ganze Zeit erwartet. Nur ihre Augenbrauen wanderten ein Stück in die Höhe.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte ich. »Können wir eintreten?«
    »Natürlich.« Ohne eine Spur von Angst ging sie zu dem abscheulichen Köter, dem der Schaum aus dem Maul tropfte, und zerrte ihn am Halsband dicht neben sich. »Schön brav, Leo, hörst du.«
    Der Hund knurrte. Offensichtlich dachte er darüber nach, ob er ihr gehorchen sollte oder nicht. Fräulein Hülshoff zog noch einmal mit Nachdruck an seinem Halsband. Da ließ er eine lange rosa Zunge aus dem Maul fallen, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und duckte sich.
     
    Die Küche starrte vor Schmutz. Auf dem Tisch neben der Spülschüssel türmte sich dreckiges Geschirr und auf den staubigen Fensterscheiben hätte man schreiben können wie auf einer Schiefertafel. Auf einem der Stühle lag ein Stapel Bücher. Neben dem Herd ein weiterer.
    »Das Mädchen hat heute frei«, sagte Fräulein Hülshoff gleichmütig, die meinem Blick gefolgt war. »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
    Eigentlich hieß sie ja nun Frau Welter, aber in meinen Gedanken nannte ich sie weiterhin Fräulein Hülshoff und so ist es bis heute geblieben.
    Ich setzte mich. Petrus wartete draußen auf dem Hof. Dieses Mal war ich froh darüber. Ich musste allein mit Fräulein Hülshoff reden und herausfinden, wie es um sie stand, bevor ihr Mann nach Hause kam. So wie es hier aussah, hätte es mich nicht gewundert, wenn sie gleich ihre Sachen gepackt hätte und mit uns aufgebrochen wäre.
    »Möchten Sie Tee?«, fragte sie, während sie den Kessel schon auf den Herd schob. »Der Rotbuschtee, den man hier trinkt, schmeckt ganz vorzüglich.«
    Ich nickte, aber im gleichen Moment knurrte mein Magen lauter als vorhin der Bluthund auf dem Hof. Wir hatten in den letzten beiden Wochen nur sehr wenig gegessen. Das getrocknete Fleisch und der Dörrkürbis, die Petrus aus dem Nama-Dorf mitgebracht hatte, waren nach wenigen Tagen aufgebraucht gewesen. Danach hatte Johann uns widerwillig von seinen Vorräten abgegeben, aber die Portionen waren immer mehr als spärlich gewesen.
    »Sie haben Hunger«, stellte Fräulein Hülshoff fest. »Möchten Sie vielleicht einen Teller Rote-Bete-Suppe? Herr Welter kommt auch gleich nach Hause, aber es ist genug davon da.«
    Herr Welter. Sie nannte ihren Mann beim Nachnamen, genau wie meine Mutter, wenn sie von Freudenreich gesprochen hatte.
    Sie reichte mir einen Teller, in dem eine rote, säuerlich riechende Flüssigkeit schwappte. »Bitte schön. Ich wünsche einen guten Appetit.«
    »Danke.« Vorsichtig nahm ich einen Löffel. Die Suppe schmeckte noch abscheulicher, als sie roch. Aber mein Hunger war größer als der Ekel. »Petrus ist bestimmt auch hungrig«, fiel mir ein. »Sie erinnern sich doch an ihn, oder?« Immerhin verdankte Fräulein Hülshoff Petrus ihre

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