Im Land des Regengottes
Wovon reden Sie?«
»Frauen aus Deutschland. Ein ganzes Schiff voll. Junge Mädchen und alte Schabracken, ledige, verwitwete, sitzen gebliebene und sitzen gelassene. Kleine, große, dicke, dünne. Viele, die in einer ähnlichen Situation waren wie ich, aber darüber wurde nicht gesprochen. Man redete nur über Belanglosigkeiten.«
»Ich verstehe nicht. Was suchten diese Frauen in Swakopmund?«
»Männer. Ehemänner. Und die deutschen Männer in Südwest suchen Ehefrauen. Also, was liegt näher, als eins zum anderen zu bringen?«
»Wie bitte?«
»Ich bitte Sie, Henrietta, das ist doch nun wirklich nicht schwer zu verstehen. Jeden zweiten Sonnabend im Monat findet im Blauen Anker eine Brautschau statt. Ein großes Souper, hinterher Tanz und Geselligkeit. Man lernt sich kennen und wenn man sich gefällt, wird geheiratet. So einfach ist das.«
»Dort haben Sie Welter getroffen?«
»Richtig. Er hat mir gleich gefallen.«
Ich machte den Mund auf und wieder zu. Mir fehlten die Worte.
»Und ich muss ihm auch gefallen haben«, fuhr Fräulein Hülshoff trotzig fort. »Auf jeden Fall hat er mich am nächsten Morgen um meine Hand gebeten. Er ist kein schlechter Mann. Wirklich nicht.«
Ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte.
»Er ist natürlich kein Märchenprinz«, gab Fräulein Hülshoff zu. »Er ist, wie er ist. Und ich bin, wie ich bin. Er lässt mir meine Bücher, er lässt mir meine Ruhe. Er lässt mich sein.«
»Mich lässt er nicht sein«, sagte ich bitter. »Mich schickt er weg.«
»Das tut mir leid. Aber ich kann es nicht ändern. Es ist seine Farm. Es tut mir wirklich leid, das müssen Sie mir glauben.«
So waren die Verhältnisse zwischen den beiden. Er ließ sie sein, sie ließ ihn sein. Er mischte sich nicht in ihre Angelegenheiten und sie sich nicht in seine.
»Was ist mit Familie Cordes?«, erkundigte sich Fräulein Hülshoff. »Sie waren doch mit ihnen befreundet. Warum bitten Sie die Cordes nicht um Hilfe? Pastor Cordes wird Sie nicht im Stich lassen.«
»Sie sind im Kapland, in der Missionsstation Wupperthal. Wie soll ich dort hinkommen?«
Fräulein Hülshoff trank ihre Teetasse aus. »Ich werde mir etwas überlegen«, versprach sie. »Aber nun muss ich zu Bett gehen. Und Sie werden auch müde sein.«
Sie nahm mir meine Tasse aus der Hand, obwohl ich sie noch gar nicht leer getrunken hatte. »Gute Nacht, Henrietta.«
»Warten Sie!«, rief ich ihr nach, da war sie schon fast im Haus. »Petrus, der Bursche, der Ihnen geholfen hat.«
»Was ist mit ihm?«
»Ich liebe ihn.«
Warum um alles in der Welt erzählte ich ihr von meiner Liebe? Ausgerechnet Fräulein Hülshoff, die so spröde und steif und prüde war? Vielleicht wollte ich ihr etwas zurückgeben, nachdem auch sie mir so viel von sich anvertraut hatte. Vielleicht wollte ich auch einfach reden. Vielleicht musste ich reden. Meine Mutter war tot, Trude war am einen Ende der Welt, Eva am anderen, und keine von ihnen hätte mich verstanden. Nicht einmal Petrus verstand mich.
Fräulein Hülshoff verstand mich auch nicht. Ihre Augen waren große, schwarze Murmeln in ihrem bleichen Gesicht. Sie wirkten, als könnten sie jeden Moment aus ihren Höhlen kullern. »Was reden Sie denn da? Sie sind ja verrückt«, wisperte sie tonlos.
»Ja, das bin ich wohl. Aber es ist nicht zu ändern.«
»Er ist ein Eingeborener. Und Sie sind weiß.«
Als ob mir das selbst noch nicht aufgefallen wäre.
»Schlagen Sie sich diese Geschichte schleunigst aus dem Kopf, hören Sie? Das ist eine fürchterliche Kinderei, die Sie ins Elend bringen wird, wenn Sie nicht aufpassen. Du liebe Zeit, wenn das Ihre Mutter wüsste.«
»Was hat denn meine Mutter damit zu tun?«
Fräulein Hülshoff stellte die beiden Teetassen auf die Brüstung der Veranda und rang ihre Hände. »Sie sind doch noch ein Kind und dabei vollkommen auf sich selbst gestellt …«
»Nun beruhigen Sie sich doch bitte wieder«, unterbrach ich sie. »Es ist ja nichts geschehen.« Ich dachte voller Unbehagen an die letzte Nacht im Nama-Dorf und hoffte, dass ich die Wahrheit sagte.
»Hören Sie, Henrietta.« Fräulein Hülshoff trat jetzt so nahe an mich heran, dass ich den Rotbuschtee in ihrem Atem riechen konnte. »Dieser Neger ist sehr gefährlich. Er kommt Ihnen ganz zivilisiert vor, weil er Deutsch spricht und höflichere Umgangsformen hat als manch ein Weißer hier. Aber in Wirklichkeit …«
»In Wirklichkeit was?«, fragte ich barsch.
»In Wirklichkeit will er nur das eine. Das,
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