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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Dabei gab es weit und breit kein trockenes Holz.
    »Ich habe Hunger, besorg uns etwas zu essen«, befahl er dann. Er reichte Petrus sein Gewehr und schickte ihn in den strömenden Regen hinaus. Als Petrus Stunden später völlig durchnässt mit einem toten Klippschiefer zurückkam, nickte Slagman nur kurz. »Zumindest spurt er ordentlich. Du hast ihn dir gut erzogen.«
    Das war das einzige Mal, dass Petrus sich ihm widersetzte. »Wann sprechen mit Fraulein, nix sagen du « , erklärte er, wobei er sich so drohend vor Slagman aufbaute, dass dieser abwehrend beide Hände hob.
    »Ist ja schon gut … Hu«, höhnte er, als Petrus sich abwandte. »Da bekommt man ja richtig Angst.«
    Aber danach duzte er mich nie wieder.
     
    Petrus häutete den Klippschiefer und nahm ihn aus. Danach teilten die Männer sich das rohe Fleisch.
    »Das ist gesund«, sagte Slagman. »Gut gegen Skorbut.« Er hielt mir ein Stück Leber hin, aber ich schüttelte angewidert den Kopf.
    Unsere Vorräte waren fast aufgebraucht. Am dritten Tag hatten wir nur noch eine Handvoll Hirse und ein paar eingelegte Kürbisse. Immerhin teilte Slagman sein Essen genauso bereitwillig mit uns wie wir mit ihm. »Wenn der Regen erst einmal vorbei ist, werden wir keinen Mangel an Nahrung mehr haben«, versicherte er mir. »Sie werden schon sehen. Nach der Regenzeit ist das Namaqualand der Garten Eden.«
    Der Garten Eden. Wie kam er nur auf die Idee, diese schlammige Einöde vor dem Fenster mit dem Paradies zu vergleichen? Ich starrte auf die Regenschnüre und seufzte.
    »Sie sollten mal Ihr Gesicht sehen«, sagte Slagman verächtlich. »Sie sehen selbst schon aus wie drei Tage Regenwetter.« Dann klappte er sein Gewehr auf und begann, es zu putzen. Während er den Schaft polierte, pfiff, gurrte und murmelte er zärtlich vor sich hin wie eine Mutter, die mit ihrem Kleinkind spielt.
    Ich wandte mich ab. Am Flussufer saß ein großer Graulärmvogel, seine Federhaube war durch die Regenflut schon ganz platt gedrückt. Er hob abwechselnd den rechten und den linken Fuß, während er missmutig in die graubraunen Fluten stierte.
    Der Garten Eden. Lächerlich.

 
18
     
    Als ich noch bei den Nama wohnte, hatte ich Petrus einmal gefragt, an welchen Gott seine Leute glaubten.
    »An den christlichen Gott«, hatte er mit einer gewissen Empörung erwidert. »Was denkst du? Mein Stamm ist getauft.«
    »Aber früher«, beharrte ich, »bevor die Missionare hier waren. Hattet ihr da keine Religion?«
    Er sträubte sich zuerst, er redete nicht gerne von diesen Dingen, weil sie seinen Stamm rückständig und abergläubisch erscheinen ließen. Er wusste aber so gut wie ich, dass die Nama keine Christen waren. Sie hatten sich taufen lassen, weil sie dadurch Zugang zur Missionsstation bekamen und Kleider und manche Almosen. Aber deshalb glaubten sie noch lange nicht an den dreieinigen Gott, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist. Sie verehrten auch weiterhin ihre eigenen Götter.
    Schließlich hatte mir Petrus von Tsui Goab erzählt, der im Morgenrot wohnte. Manchmal nahm Tsui Goab Menschengestalt an und stieg auf die Erde herab, die er geschaffen hatte. Er ging durch die große Trockenheit, die über dem ganzen Namaland herrschte. Über die Erde, die kahl und brach dalag, über nackte Felsen, bedeckt von weißem und braunem Sand. Die Blätter der Bäume waren hart und spitz wie Lanzen, sie kämpften gegen die stechende Sonne, die ihnen das Wasser entziehen wollte. Unter Tsui Goabs Füßen raschelte das dürre Gras, Dornranken rissen ihm die Arme auf. Er wanderte über zerfurchte Erde und ausgetrocknete Flussbetten, und während er ging, hörte er die Menschen klagen, die Tiere vor Durst brüllen und die Pflanzen stöhnen.
    Da bekam Tsui Goab Mitleid mit den Kreaturen und Dingen, die er geschaffen hatte, und hob seine Hand und schickte Wolken. Der Regen fiel auf das Namaland, er überschwemmte die Erde und drang in sie ein wie ein Mann in ein Weib. Das Wasser fand die Samen, die tief unten in der Dunkelheit lagen und warteten, seit Monaten oder Jahren, und ließ sie aufquellen und platzen und keimen. Die Sprossen stiegen durch die dunkle Erde hoch zum Licht, erst bleich und blass, aber nachdem sie die Erde durchbrochen hatten, färbten sie sich grün. Und sie trieben und wuchsen und bildeten Blüten in allen Farben der Erde und des Himmels.
    Die Bäume sogen das Wasser über ihre Wurzeln in den Stamm, in ihre Äste bis in die feinsten Zweige. Und aus dem harten Holz drängten

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