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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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anschließen, bis wir in Springbok sind. Dann haben Sie immerhin die Hälfte des Weges hinter sich. Die Gegend auf der anderen Seite des Flusses ist nämlich nicht ohne, das kann ich Ihnen versichern.«
    Jetzt wanderten meine Augen doch wieder zu Petrus. Er nickte kaum merklich, was Slagmans wachsamem Blick natürlich nicht entging.
    »Sehen Sie, Ihr Neger ist einverstanden. Puh, da bin ich aber erleichtert. Ich habe schon befürchtet, dass er mir an die Gurgel geht.«
    »Mag sein«, entgegnete ich kühl. »Aber ich bin anderer Meinung. Wir reisen allein weiter.«
    »Fraulein«, sagte Petrus, ohne mich dabei anzusehen. »Ist nix schlecht, was sagen Mann. Petrus nix wissen Weg in Kapland. Mann uns zeigen.«
    Mann uns zeigen. Dieser Bure behandelte Petrus wie den letzten Dreck und zum Dank dafür pflichtete er ihm auch noch bei. Hatte er denn gar keinen Stolz? Und warum stammelte und stotterte er jetzt wieder, als könnte er kein richtiges Deutsch? Ich hätte ihn ohrfeigen können, so wütend war ich auf einmal auf ihn. Er war mein Freund, mein Geliebter, wenn er sich selbst erniedrigte, dann erniedrigte er auch mich. Aber natürlich hatte er recht. Auf der anderen Seite des Oranje-Flusses kannten wir uns beide nicht aus. Wie sollten wir den Weg finden, ohne Karte, ohne Kompass? Es gab bestimmt keine Wegweiser, an denen wir uns orientieren konnten.
    So unsympathisch dieser Slagmann war, Petrus schien seine Meinung über ihn geändert zu haben, sonst hätte er mir nicht geraten, mich ihm anzuschließen. Und es stimmte – wenn Slagman uns hätte berauben oder erschießen wollen, dann hätte er das längst tun können. Im Gegensatz zu uns hatte er ein Gewehr.
    Slagman grinste sein zahnweißes Lächeln, als könnte er jeden Gedanken in meinem Kopf erraten. »Ich will Sie natürlich nicht zu Ihrem Glück zwingen«, meinte er dann spöttisch. Er stand auf, klopfte sich den Staub von den Hosen und ging zu seinem Esel, um ihn loszubinden.
    »Halt, warten Sie!« Obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass sein Grinsen noch breiter wurde. »Vielleicht ist es doch besser, wenn wir gemeinsam weiterziehen.«
    »Ich weiß nicht. Ich habe das ungute Gefühl, dass Sie sich von mir belästigt fühlen, und ich möchte auf keinen Fall …«
    Was für ein Theater. »Schon gut«, unterbrach ich ihn barsch. »Wir kommen mit Ihnen.«
    Jetzt sah er mich wieder an. Worauf wartete er noch? Dass ich vor ihm auf die Knie fiel und ihm die Füße küsste?
    »Dann packen Sie mal Ihre Sachen zusammen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
    Beim Abstieg in die Oranje-Schlucht führte Slagman das eine Maultier, ich hielt mich an dem Zaumzeug des Esels fest. Petrus und der andere Schwarze gingen hinter uns her. Mein Kopf sagte mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Mein Gefühl sagte mir, dass es verkehrt war. Bei der Vorstellung, die nächsten Tage oder sogar Wochen mit diesem unangenehmen Kerl zu verbringen, wurde mir schlecht. Ich drehte den Kopf und suchte Petrus’ Blick, aber er hielt die Augen auf den Boden gerichtet.
     
    Nachdem wir das ausgetrocknete Oranje-Bett durchquert hatten, begann es zu regnen. Zuerst waren es nur vereinzelte Tropfen, die lautlos zu Boden fielen, dann verwandelten sie sich in glitzernde Schnüre und danach rauschte ein gewaltiger Strom auf uns hernieder. In wenigen Minuten waren wir bis auf die Knochen durchnässt.
    Wir flüchteten uns unter einen Baum, auf dessen Zweigen das Nest eines Webervogels wucherte. Es sah aus, als hätte ein wütender Riese einen Lehmklumpen in die Äste geschleudert.
    »Das hört so schnell nicht wieder auf.« Slagman spähte skeptisch nach oben in den Baumwipfel.
    »Wir sind doch ohnehin schon nass. Da können wir auch genauso gut weitergehen«, meinte ich achselzuckend.
    Slagman schnaubte zuerst verächtlich, während er gleichzeitig versuchte, seine Pfeife anzuzünden. Nach einigen Versuchen gab er es jedoch auf. Seine Zündhölzer waren wohl nass geworden. »Vielleicht haben Sie recht«, knurrte er schließlich. »Nicht weit von hier ist eine Hütte, in der ich manchmal die Nacht verbringe. Vielleicht begeben wir uns dorthin, bevor uns diese Vloed noch wegschwemmt.«
    Entweder er hatte die Entfernung unterschätzt oder er hatte eine andere Vorstellung von Nähe als ich, auf jeden Fall kämpften wir uns über eine Stunde durch den strömenden Regen, bis wir die Unterkunft endlich erreicht hatten.
    Das Holz der Hütte war silbern vor Verwitterung.

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