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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Wegbiegung aufgetaucht war. Steinkopf hatte jemand in weißer Farbe daraufgeschmiert. Darüber war ein Pfeil, der nach rechts wies. »Wir sind auf dem richtigen Weg. Wer sagt’s denn. Slagman wollte uns nur Angst machen, weil er keine Lust auf die einsame Reise hatte.«
    Als ich Slagman am Morgen mitgeteilt hatte, dass wir unseren Weg allein fortsetzen wollten, hatte ich erwartet, dass er mich auslachen oder sogar beschimpfen würde. Und dass er mir wieder mit den fürchterlichen Gefahren drohte, die angeblich an jeder Ecke auf uns lauerten. Aber ich war fest entschlossen gewesen, mich nicht von ihm einwickeln zu lassen.
    Er hatte jedoch gar nicht versucht, mich umzustimmen. »Ganz wie Sie wünschen«, hatte er nur achselzuckend entgegnet, war auf seinen Esel gestiegen und davongeritten.
    Dieser gleichgültige Abgang hatte mich irritiert. Zumindest anfangs. Aber nachdem ich nun die ersten Meilen mit Petrus gegangen war, war ich mir ganz sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war so schön, mit Petrus durch den Frühling zu wandern.
    Hin und wieder blieben wir stehen und bewunderten eine besonders schöne Blüte oder einen Käfer, dessen Panzer wie eine kostbare Brosche schimmerte. Eine Herde Zebras graste auf einer Hügelkuppe. Als wir an ihnen vorübergingen, hob das kleinste von ihnen den Kopf und sah uns neugierig an. Seine weißen Ohren waren hoch aufgerichtet, die samtigen, schwarzen Nüstern gebläht. Ob es uns riechen konnte?
    »Ist es nicht einfach zauberhaft?«, flüsterte ich begeistert.
    Petrus leckte sich die Lippen. »Es schmeckt auch zauberhaft.«
    Ich runzelte die Stirn. Wie konnte er beim Anblick des niedlichen gestreiften Tieres bloß ans Essen denken? Obwohl er natürlich recht hatte. Wir benötigten dringend Nahrung. Brot, Früchte. Fleisch.
    Gegen Mittag teilten wir uns den letzten Streifen getrocknetes Fleisch. Danach betrachtete ich die Springböcke, Oryxe und Kudus, die am Horizont ästen, mit weniger Zärtlichkeit und mit wachsender Begierde.
    »Wenn wir bloß ein Gewehr hätten wie Slagman.«
    Am nächsten Morgen zog Petrus mit Pfeil und Bogen los. Ein paar Stunden später kam er mit zwei Buschratten zurück, die er säuberte und auf Stöcke gespießt über dem Feuer röstete. Ich ekelte mich so vor den Tieren, dass ich mich zuerst weigerte, auch nur davon zu kosten. »Auch gut«, meinte Petrus, bevor er mit Heißhunger über das erste Tier herfiel. Ich unterdrückte ein Würgen. Diese Vorstellung: eine Ratte zu essen. Ekelhaft.
    Das gebratene Fleisch roch jedoch ganz und gar nicht ekelhaft. Genau genommen duftete es köstlich. Petrus hatte seine Mahlzeit inzwischen beendet und griff nach dem zweiten Spieß.
    »Bist du dir ganz sicher, dass du nichts willst?«
    Nein, ich war mir nicht sicher. Wirklich nicht. Dieser Fleischgeruch. Ich musste mich auf einmal zusammenreißen, dass ich mich nicht auf den Spieß stürzte wie ein ausgehungerter Löwe auf ein Lamm.
    »Probier«, sagte Petrus und bot mir den Spieß erneut an.
    Diesmal nahm ich ihn.
    Das Fleisch war sehr zart und weich. Es schmeckte ein bisschen wie Hühnchen. Wunderbar, wenn man die Augen schloss und nicht darüber nachdachte, was man da verspeiste. Ich verschlang die Buschratte mit großer Gier. Hinterher war mir schlecht.
    »Gut, dass meine Mutter das nicht erleben muss«, jammerte ich. »Dass aus ihrer Tochter eine Barbarin geworden ist.«
    Barbarin. Das Wort kannte Petrus nicht. Nachdem ich es ihm erklärt hatte, zog er seine Brauen zusammen.
    »Ein Barbar ist also ein wilder Mann?«
    »So ungefähr«, bestätigte ich.
    »Nama sind Barbaren.«
    »Na ja«, meinte ich unbehaglich.
    »Und was sind Deutji?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Schultern. Kultiviert, würde Fräulein Hülshoff jetzt antworten.
    »Ihr Deutjis glaubt, dass ihr besser seid als wir. Aber warum glaubt ihr das? Weil ihr in Häusern aus Stein lebt und Rinder und Schweine esst anstatt Buschratten. Früher hielt ich euch auch für etwas Besseres. Deshalb habe ich euch alles nachgemacht. Ich habe eure Sprache gelernt, eure Kleider angezogen, ich habe mit Messer und Gabel gegessen und mir den Mund mit einer Serviette abgewischt. Aber ihr habt mich ausgelacht. Du bist nur ein dressierter Affe, habt ihr zu mir gesagt. Egal, was du tust, egal, was du versuchst, es ist zwecklos. Du bist ein Barbar und du bleibst ein Barbar.«
    »Ich bin nicht wie die anderen Deutschen«, verteidigte ich mich. »Und ich denke nicht wie sie.«
    Er nickte, immer

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