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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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noch ohne zu lächeln.
    »Du und ich«, murmelte ich. »Wir sind doch Freunde. Oder?«
    »Du glaubst, dass wir Freunde sind«, sagte er nachdenklich. »Weil ich dir helfe, weil ich dich ins Kapland begleite. Aber dann kommt so ein Slagman und macht mit mir, was er will. Und dann änderst du deine Meinung. Dann denkst du dir: Petrus ist vielleicht ganz nett. Aber er ist auch blöd.«
    »Warum hast du dich nicht gegen ihn gewehrt?«, fragte ich. »Du musst dir doch nicht alles gefallen lassen.«
    »Wenn ich gegen Slagman kämpfe, verliere ich. Er ist weiß, ich bin schwarz. So einfach ist das.« Petrus erhob sich und legte noch ein kleines Holzscheit auf das Feuer.
    »Das kann man vorher nicht wissen. Man hat erst verloren, wenn man verloren hat.«
    »Geh schlafen, Henrietta«, sagte Petrus. »Ich übernehme die erste Wache. Aber wenn du an der Reihe bist, musst du gut aufpassen. Du darfst nicht einschlafen. Es gibt viele wilde Tiere hier. Es gibt sehr schlimme Menschen.«
    »Ich weiß«, entgegnete ich. Dabei hatte ich überhaupt keine Ahnung.
     
    Am nächsten Morgen entdeckte Petrus eine kakteenähnliche Pflanze mit trichterförmigen rosa Blüten. Mit seinem Messer schnitt er die frischen Triebe ab, die seitlich aus den Stängeln sprossen, und wickelte sie in ein Tuch.
    Ich rümpfte die Nase. »Was willst du denn damit? Die Pflanze riecht ja ganz abscheulich.«
    »Ich weiß.«
    »Und warum nimmst du die Stängel mit? Willst du sie etwa essen?«
    »Khowab ist gut gegen den Hunger. Du musst die Pflanze kauen.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    Anstelle einer Antwort reichte Petrus mir ein Stück und schob sich dann selbst eines in den Mund. Ich schnupperte an dem Pflanzentrieb. Offensichtlich rochen nur die Blüten nach Aas, der Stängel verbreitete überhaupt keinen Geruch.
    »Iss«, sagte Petrus. »Denk an die Buschratte.«
    Zögernd schob ich den Trieb in den Mund. »Pfui Teufel, das schmeckt ja scheußlich.«
    Am liebsten hätte ich die Pflanze sofort wieder ausgespuckt, aber Petrus hob warnend die Hand. »Es ist ein bisschen bitter. Aber warte, das ist gleich vorbei.«
    Er hatte recht. Nach ein paar Minuten ließ der bittere Geschmack nach, die Pflanze schmeckte jetzt nur noch leicht süß. Ich kaute eine Weile darauf herum, dann schob ich sie abwechselnd von einer Backe in die andere wie die Männer ihren Kautabak.
    »Du wirst sehen, bis zum Abend hast du keinen Hunger mehr«, versprach Petrus.
    Und genau so war es. Zu Mittag aßen wir nichts als ein paar Kaktusfeigen und Wurzeln, die Petrus ausgegraben hatte, und dennoch verspürte ich bis zum Abend nicht den leisesten Hunger.
    »Wir essen Khowab auf der Jagd und wenn wir in den Krieg ziehen«, erklärte mir Petrus.
    »Khowab«, wiederholte ich, wobei ich wie Petrus die erste Silbe mit einem Zungenschnalzen einleitete.
    Aber er schüttelte den Kopf. »Khowab«, korrigierte er mich.
    »Khowab«, versuchte ich es wieder. Ich hörte keinen Unterschied, aber Petrus lachte.
    »Viel weicher und sanfter. Leg deine Zunge in den Gaumen. Und dann …« Er schnalzte. Khowab.
    Ich versuchte es noch einmal, nun hörte ich zumindest selbst, dass mein Schnalzen viel lauter und härter klang als das seine. Aber sosehr ich mich auch bemühte, ich schaffte es einfach nicht, den richtigen Laut hervorzubringen.
    »Komm«, sagte Petrus schließlich, »gib mir deine Hand.« Er nahm meine Finger und führte sie in seine Mundhöhle zu seiner Zunge. Die Zungenspitze lag oben an seinem Gaumen wie eine Schnecke in ihrem Haus. Ich tastete sie sehr gründlich ab, während ich gleichzeitig versuchte, meine eigene Zunge in die gleiche Position zu bringen.
    »Khowab«, sagte ich.
    Petrus lächelte. Dann schob er seine Finger in meinem Mund. Sie schmeckten ein wenig bitter wie die Pflanze, deren Namen ich aussprechen sollte.
    Er drückte meine Zungenspitze nach oben, nach hinten und diesmal gelang es mir. Mein Khowab klang wie das seine.
    »Gut. Sehr gut.« Er zog seine Finger wieder aus meinem Mund und wischte sie an seiner Hose ab.
    Wir standen uns immer noch sehr nah gegenüber. Sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt. Auf seiner Oberlippe und seinem Kinn glänzten schwarze Haare, er hatte sich seit einigen Tagen nicht mehr rasiert. Ich möchte noch mehr Worte lernen, wollte ich sagen, aber als ich den Mund öffnete, senkte er den Blick und trat einen Schritt zurück.
    »Hab keine Angst«, sagte ich sehr leise.
    Er nickte. Aber er trat dabei von einem Fuß auf

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