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Im Land des Regengottes

Im Land des Regengottes

Titel: Im Land des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Blätter und Knospen und bald standen auch die Bäume in Blüte.
    Tsui Goab lachte und hob erneut die Hand und im selben Moment zwängten sich Käfer, Würmer, bunte Schlangen und Schmetterlinge aus Ritzen, Spalten und Kokons ans Licht. Bunte Vögel flatterten durch die Luft, jubilierten, piepsten, kreischten, schnatterten und sangen. Menschen und Tiere versammelten sich um die Wasserlöcher und tranken, bis ihre Münder und Mäuler überliefen, bis ihre Leiber vom Wasser aufquollen, bis sie fast platzten.
    Das Namaland hatte im Sterben gelegen, aber Tsui Goab hatte es dem Tod wieder entrissen und ihm neues Leben eingehaucht. Und das neue Leben hieß: Frühling. Als ich die Geschichte von Tsui Goab, dem Gott, der den Regen macht, zum ersten Mal hörte, hielt ich sie für ein Märchen. Aber nach dem Regen im Namaqualand erkannte ich, dass sie wahr war. Tsui Goab war wirklich über die Erde gewandelt und hatte die Wüste in ein blühendes Paradies verzaubert. Anders ließ sich das Wunder vor unserer Kate nicht erklären.
    Über Nacht war der wilde Strom zu einem glucksenden Bächlein geworden, dessen Ufer von violetten Blumen bedeckt waren. Die gesamte Ebene, die noch vor drei Tagen kahl und öde gewesen war, war von einem Blütenteppich überzogen. Bis zum Horizont leuchteten rote, blaue, gelbe Blumen. Und auch die kahlen Dornbüsche, die störrischen Kakteenpflanzen und vertrockneten Bäume waren zum Leben erwacht. An den Enden der Zweige saßen dicke Knospen, man konnte fast dabei zusehen, wie sie anschwollen.
    Die Luft roch nach Frühling.
    Genau wie früher in der Kohlstraße, wenn der letzte Schneematsch endlich weggeschmolzen war und die ersten Schneeglöckchen aus der Erde lugten. Es war ein Duft, der sich nicht beschreiben ließ und mit nichts zu vergleichen war. Ein Duft, den man nicht mit der Nase aufnahm, sondern mit dem ganzen Körper.
    Neues Leben.
    Ich trat unter dem Felsvorsprung hervor ins Freie und atmete. Die Luft vibrierte vom Summen und Flügelschlag der Insekten. Eine Hummel brummte an mir vorbei und landete auf einem violetten Gänseblümchen. Wo war sie gestern gewesen, als hier das Wasser auf die Erde geprasselt war? Im Morgenrot bei Tsui Goab, der sie nun ins Leben gerufen hatte, genau wie die blau schillernde Libelle über dem Bach?
    Auch ich fühlte mich wie neu erschaffen. Ich war eine Larve, die sich aus ihrem harten Kokon ins Freie zwängt, ihre Flügel ausspannt und als Schmetterling davonflattert.
    Petrus trat neben mich. Er legte seinen Kopf in den Nacken und nahm einen tiefen Atemzug Frühlingsluft. Ich lächelte ihn an und zum ersten Mal seit Tagen lächelte er zurück.
    » Dit is die lente! « , hörte ich hinter mir Slagmans Stimme. Er klang so selbstgefällig, als hätten wir den Frühlingsausbruch nur ihm zu verdanken.
    Das Lächeln verschwand aus Petrus’ Gesicht. Mein Herz klappte seine Schmetterlingsflügel wieder ein. Schluss damit, dachte ich. Das Unwetter war vorbei, das Land quoll über vor Lebensfreude. Wir brauchten Slagman nicht mehr. Im Grunde hatten wir ihn nie gebraucht. Er war arrogant, überheblich und unangenehm, je schneller wir uns von ihm trennten, desto besser. Petrus und ich würden unseren Weg allein fortsetzen. Wir waren im Paradies. Nichts konnte uns mehr geschehen.
     
    Die Flügel des Falters waren gemustert wie ein Orientteppich. Er flatterte über Petrus’ Schulter, schwebte einen Moment über seinem Jägerhut und flog dann weiter. Als er an mir vorbeikam, erkannte ich die lange, dünne Zunge, die aus seinem Maul hing. Ein Schmetterling, der einem die Zunge herausstreckte wie ein freches Kind. Es war eine Warnung, aber ich begriff sie nicht.
    Ich pflückte eine gelbe Blume und schob sie in Petrus’ oberstes Knopfloch. Wie herrlich sich die Blüte von seiner dunklen Haut abhob. »Das steht dir hervorragend.«
    »Danke.« Er grinste, um sofort wieder ernst zu werden. »Das ist bestimmt falsch.«
    »Die Blume? Unsinn. Riech doch mal, wie köstlich sie duftet.« Ich schnupperte selbst an der Blüte. Sie roch betörend süß, fast schon beißend. Mein Gesicht, so nah an seinem Hals. Das machte mich schwindlig. Aber jetzt trat Petrus einen Schritt zurück.
    »Ich meine die Straße. Und dass wir uns von Slagman getrennt haben.«
    »Unsinn. Er war unerträglich. Wie er dich behandelt hat. Das war doch abscheulich.«
    »Aber Slagman kennt sich hier aus und wir nicht.«
    »Schau!« Ich zeigte triumphierend auf eine alte Zementtonne, die hinter einer

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