Im Land des Roten Ahorns
beobachtete neugierig, wie die Flöße an einem der zahlreichen Kais vertäut wurden.
Nachdem das erledigt war, kehrten sie in einer Herberge am Stadtrand ein. Allerhand buntes Volk verkehrte dort: Wanderarbeiter, Handelsvertreter, Kaufleute und Farmer, die Geschäfte in der Stadt machten. Dass es ausschließlich Männer waren, die sich in der zugehörigen Bar amüsierten, kümmerte Jaqueline mittlerweile nicht mehr. Mit Unbehagen erinnerte sie sich daran, wie verloren sie sich damals trotz der Begleitung von Warwick in so einer Männerwelt gefühlt hatte. Auch jetzt zog sie sämtliche Blicke auf sich, aber das störte sie nicht. Sie hatte McGillion und die anderen hinter sich und konnte sich darauf verlassen, dass die Männer sie vor Angriffen schützen und ihr in jeder Lage zu Hilfe eilen würden.
»Was kann ich für Sie tun, Ma'am?«, fragte der Mann hinter dem Tresen, als er die Meute erblickte.
Da sich die Mannschaft zurückhielt, war ihm offenbar sofort klar gewesen, wen er ansprechen sollte.
»Wir brauchen Zimmer, so viele Sie haben«, erklärte Jaqueline ihm selbstsicher. »Und Essen und Whiskey für die ganze Truppe.«
Die Augen des Barkeepers leuchteten auf. »Ich fürchte, dass wir so viele Zweibettzimmer nicht haben. Aber wenn die Herren etwas zusammenrücken können, werden wir wohl alle unterbringen.«
»Wir sind Kummer gewohnt, Mister«, meldete sich McGillion zu Wort. »Sorgen Sie nur dafür, dass die Lady ein Einzelzimmer kriegt!«
»Okay.« Der Mann hinter dem Tresen begab sich ans Schlüsselbrett. Nachdem er alle verfügbaren Schlüssel ausgehändigt hatte, teilten die Männer die Zimmer unter sich auf.
»Kann ich noch irgendwas für Sie tun, Miss Jaqueline?«, fragte McGillion, als sie mit der Verteilung fertig waren.
»Nein, Mr McGillion, vielen Dank. Ich lasse mir das Essen aufs Zimmer bringen. Dann habe ich alles, was ich brauche. Gute Nacht!«
»Gute Nacht!« McGillion nickte, und alle zogen sich zurück.
Jaqueline seufzte vor Wohlbehagen bei dem Gedanken an ein richtiges Bett, als sie die Zimmertür hinter sich zuschlug. Erleichtert sah sie sich um. Es gab nichts auszusetzen an dem Raum, aber genießen konnte sie das Alleinsein trotzdem nicht. Sie vermisste Connor so sehr, dass es sie körperlich schmerzte. Sie brauchte nur an ihn zu denken, schon wurde es eng in ihrer Brust vor Sehnsucht. Niedergeschlagen sank sie auf das Bett.
Als ihr kalt wurde, trocknete sie sich schniefend die Tränen und erhob sich. Draußen ging ein Blitz nieder, gefolgt von einem Donnerschlag, der Jaqueline zusammenzucken ließ. Sie zog die Vorhänge zu und ging zu dem kleinen Ofen, in dem nur noch ein schwaches Feuer glomm. Sie öffnete die Feuerluke und entfachte mit dem Schürhaken die Glut von neuem.
Da klopfte es an der Tür.
In der Annahme, dass es der Kellner mit dem Essen sei, rief sie, den Blick weiterhin auf den Ofen gerichtet: »Ja, bitte!«
»Ich hätte nie gedacht, dass du mich mal so freundlich hereinbitten würdest!«
Jaqueline erstarrte. Angst überwältigte sie wie eine riesige Welle.
Das kann nicht sein! Er kann uns nicht gefolgt sein.
Langsam wandte sie sich um.
Alan Warwick drückte die Tür ins Schloss und grinste sie spöttisch an. »So sieht man sich also wieder!«
»Verschwinden Sie von hier!«, zischte Jaqueline.
»Warum denn?«, gab er ungerührt zurück. »Ich bin doch gerade erst angekommen. Bedauerlich, die Sache mit deinem Geliebten. Aber jetzt ist dein Herz ja frei für mich.«
Jaqueline wurde übel. Dass er von dem Unglück wusste, konnte nur eines bedeuten: »Sie waren das«, presste sie fassungslos hervor. »Sie haben das Floß sabotiert.«
Warwick zog die Augenbrauen hoch. »Hast du dafür auch nur einen Beweis?«
»Den brauche ich nicht!« Während sich der Hass in Jaquelines Brust zusammenballte, merkte sie, dass sie immer noch den Schürhaken in der Hand hielt. »Um zu wissen, dass Sie es getan haben, genügt mir schon ihr dreckiges Grinsen.«
»Aber, aber, meine Liebe, was sind das für gehässige Worte? Sie klingen überhaupt nicht mehr wie eine Dame.«
»Das sind die Worte, die eine Dame für einen Verbrecher wie Sie übrig hat.«
Warwick kniff die Augen zusammen. »An deiner Stelle würde ich meine Zunge hüten. Jetzt, wo dein Geliebter tot ist, hast du nämlich niemanden mehr.«
Drohend kam Warwick auf sie zu und öffnete dabei sein Koppel. »Wenn du dich gut mit mir stellst, werde ich dich am Leben lassen. Aber erst mal wirst du mir einen kleinen
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