Im Land des Roten Ahorns
Charlie Sie auch mitgenommen.«
Wahrscheinlich halten sie mich für tot. Arme Jaqueline ... »Ich muss so schnell wie möglich nach Toronto!« Erneut fuhr Connor auf. Das Stechen stellte sich wieder ein, doch diesmal ignorierte er es. Er entdeckte seine Kleider sauber zusammengelegt auf einem Stuhl. Darauf lag seine mit einem Band zusammengehaltene Geldrolle. Maggie Summerville hatte sich offenbar die Mühe gemacht, die Banknoten zu trocknen und sauber wieder zusammenzurollen.
»Aber Sie sind doch gerade erst aufgewacht«, protestierte die Frau. »Zwei Tage lang hatten Sie hohes Fieber; erst seit vorgestern ist es wieder weg. Ich bezweifle, dass Sie schon wieder gesund sind.«
Also war er bereits mindestens fünf Tage hier! Auch wenn seine Männer nach ihm gesucht hatten, was er nicht bezweifelte, hatte das Floß sicher schon die Niagara Falls erreicht. Vielleicht waren die Stämme sogar bereits auf die Wagen umgeladen worden! Er hatte seinen Leuten keine Instruktionen für den Fall eines Unglücks erteilt, doch solange sie seine Leiche nicht fanden, würden sie sicher weiterflößen. Ich darf nicht länger warten!, dachte Connor. Ich kann Jaqueline nicht länger in dem Glauben lassen, dass ich tot bin.
»Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, Mrs Summerville, aber ich muss nach Toronto. Meine Leute machen sich gewiss große Sorgen um mich, außerdem muss sich jemand um das Holz kümmern.«
Maggie seufzte, trat aber vom Bett zurück. »Also gut, wie Sie wünschen, Mr Monahan. Bloß überstürzen Sie nichts! Das Wetter da draußen ist nicht gerade das freundlichste. Ich vermute, dass Ihre Floßmannschaft irgendwo rasten muss. Das gibt Ihnen vielleicht die Gelegenheit, sie in Toronto einzuholen.«
»Wenn möglich, will ich vor ihnen ankommen.«
Maggie Summerville lachte und schlug die Hände zusammen. »Du meine Güte, das würden Sie nicht mal schaffen, wenn Sie Flügel hätten!«
»Mit einem schnellen Pferd wär das machbar.«
»Das Pferd, das ich Ihnen anbieten kann, ist nicht gerade ein Rennpferd, dafür kennt es sich am Ufer aus. Aber ich würde Ihnen wirklich raten, noch ein Weilchen zu warten.«
Connor schüttelte den Kopf. Jetzt, wo er saß, erstarkten seine Gliedmaßen. Und er fühlte sich auch nicht mehr fiebrig.
»Sie meinen es wirklich ernst, oder?«
»Ja, ich muss los. Meine Leute werden sicher auf mich warten. Mir gehören die Flöße und das Holz, man wartet in Montreal darauf. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Ihr Pferd verkaufen könnten, Mrs Summerville.«
»Ich werd meinem Mann Bescheid sagen.« Damit verschwand sie.
Connor nutzte die Gelegenheit, um sich anzuziehen. Dann sah er sich in der Hütte um. Ein wenig ähnelte sie seinem Refugium im Wald, nur dass vor den Fenstern Fischernetze hingen.
Rasch zog Connor ein paar Scheine aus dem Geldbündel und verstaute es in der Hosentasche. Als er die Haustür öffnete, kam Maggie Summerville ihm entgegen.
Sie stemmte die Hände in die Seiten und schüttelte den Kopf. »Meinetwegen können Sie sich auf dem Pferd den Tod holen. Aber Sie werden nicht ohne Proviant losreiten!«
Während sie über den Ontariosee flößten, ließ Jaqueline das Ufer nicht aus dem Blick. Im Schilf, das sich von dem in Deutschland durch Farbe und Größe unterschied, paddelte eine seltsame Entenart. Connor hätte mir das alles mit Freude erklärt!, ging ihr durch den Kopf. Schweren Herzens betrachtete sie ihre Aufzeichnungen. Ob dieser Reisebericht wohl ein gutes Ende finden wird? Sie musste sich eingestehen, dass sie immer weniger daran glaubte.
Zu ihrem Überdruss verschlechterte sich das Wetter. Heftige Sturmböen wühlten den See auf. Blitze zuckten beängstigend am Himmel. Jaqueline erwog, den Männern vorzuschlagen, in Toronto in einer Herberge zu übernachten. Nach den Strapazen der vergangenen Tage hatten sie es verdient, ein wenig auszuruhen. Außerdem brauchte sie endlich ein Bad und etwas anderes zu essen als Dosenfleisch und Bohnen. Aus der zerstörten Floßhütte hatten die Männer eine Kiste gerettet, in der Connor neben den Frachtpapieren auch Bargeld aufbewahrte.
Mit schlechtem Gewissen öffnete Jaqueline sie. Es ist Connors Geld. Ich darf mich nicht daran vergreifen, dachte sie.
Doch dann schaute sie in die erschöpften Gesichter der Männer, und ihr Entschluss stand fest.
Im Hafen von Toronto sorgte die Ankunft der Flöße inmitten all der Dampfschiffe und Segelschiffe für großes Aufsehen. Eine Menschenmenge versammelte sich und
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