Im Land des Roten Ahorns
Gefallen tun.«
Jaqueline ahnte, was für ein Gefallen das war. Seltsamerweise verspürte sie keine Panik, sondern nichts als die wilde Entschlossenheit, sich zu wehren. Natürlich hatte sie Angst, aber sie hatte ja den Schürhaken ... Sie umklammerte das Eisen fester. Ich sollte ihm etwas vormachen, dachte sie, dann wird es leichter.
»Bitte, das können Sie nicht von mir verlangen!«, flehte sie und wich vor ihm zurück.
Er machte sich bereits an seinem Hosenstall zu schaffen.
»Warum denn nicht? Mit deinem Holzfäller hast du es doch auch getrieben. Da sollte so ein kleiner Gefallen kein Problem für dich sein. Oder hat es dir mit ihm nicht gefallen?«
Jaquelines Magen krampfte sich zusammen. Ekel stieg in ihr auf. Sie atmete tief durch und zitterte vor Wut, was Warwick vielleicht als Ausdruck von Angst deutete.
Als er die Arme nach ihr ausstreckte, riss sie mit einem schrillen Schrei den Schürhaken hoch und schlug mit voller Wucht nach seinem Kopf.
Warwick wollte den Schlag parieren - aber er reagierte zu spät. Der Haken traf ihn an der Schläfe.
Er taumelte, starrte Jaqueline ungläubig an und sackte zu Boden. Aus einer Platzwunde an seiner Schläfe sickerte Blut.
Jaqueline wich erschrocken zurück und ließ den Schürhaken fallen.
Habe ich ihn umgebracht? Panische Angst überfiel sie. Hier wusste niemand, was er ihr angetan hatte. Wenn er wirklich tot war, würde sie im Gefängnis landen.
Den Mut, nachzuprüfen, ob er noch am Leben war, hatte sie nicht. Stattdessen stürmte sie aus dem Zimmer - und prallte gegen McGillion.
»Alles in Ordnung mit Ihnen? Ich habe einen Schrei gehört und wollte mal nachsehen, was los ist.«
Jaqueline zitterte am ganzen Leib. »Wir müssen weg von hier! Warwick ist hier!«
Wer das war, wusste McGillion. Monahan hatte ihn kurz nach ihrem Einzug im Kontor ins Vertrauen gezogen.
»Den werde ich mir vorknöpfen!« Angriffslustig schob er sich die Ärmel hoch.
»Besser nicht! Ich habe ihn niedergeschlagen. Ich will von hier weg sein, ehe er wieder zu sich kommt.«
»Wir sollten ihn der Polizei übergeben!«
»Aus welchem Grund? Weil er mich belästigt hat? Er wird behaupten, dass ich ihn verletzt habe. Außerdem müssen wir dann hierbleiben, und das wird die Auslieferung des Holzes noch weiter verzögern.«
McGillion rang einen Moment mit sich, bevor er eine Entscheidung traf.
»Okay, dann sag ich den Männern Bescheid. Es sei denn, Sie wollen, dass ich den Kerl erst fessele.«
»Es wird reichen, wenn wir die Tür absperren. Das erledige ich. Gehen Sie schon mal vor!«
McGillion wandte sich ab, und Jaqueline kehrte in ihr Zimmer zurück. Ihr Herz raste. Warwick lag noch immer vor dem Ofen. Sein Rücken hob und senkte sich.
Er ist nicht tot. Wenn er zu sich kommt, wird er sich schrecklich an mir rächen, dachte sie, klaubte ihr Schultertuch vom Bett auf, nahm ihre Segeltuchtasche an sich und rannte hinaus. Sie steckte den Schlüssel von außen ins Schloss, drehte ihn herum und lief zu den Männern, die sich im Gang versammelt hatten.
Sie händigte dem Vormann ein Bündel Geldscheine zum Bezahlen der Rechnung aus und verließ das Hotel mit den anderen durch den Hinterausgang.
Noch immer strömte der Regen, und die Luft war empfindlich kalt. Trotzdem war es Jaqueline lieber, weiter zu flößen, als in einem Haus, ja sogar in einer Stadt, mit Warwick zu sein.
Fröstelnd zog sie das Schultertuch zurecht. Sie bemühte sich, das Zähneklappern zu unterdrücken, das nicht nur von der Kälte kam. Reue empfand sie nicht. Dieser Mistkerl hat noch ganz andere Dinge verdient für das, was er uns angetan hat, dachte sie. Er hätte den Tod verdient, weil er Connor auf dem Gewissen hat. Das Einzige, was sie bedauerte, war, dass nun alle auf die Bequemlichkeit der Herberge verzichten mussten.
14
Nach anderthalb Wochen Fahrt über den Ontariosee und den Saint Lawrence River erreichten sie Montreal.
Jaquelines Aufzeichnungen waren weiter angewachsen. Mittlerweile war ihr das Papier ausgegangen, sodass sie neue Notizen auf die Ränder der bereits beschriebenen Blätter schreiben musste. Es würde eine Weile dauern, das Material zu ordnen. Aber das würde sie wenigstens zeitweise von ihren Gedanken an Connor ablenken.
Obwohl es unwahrscheinlich war, dass er es bis hierher geschafft hatte, hielt sie dennoch fast ununterbrochen Ausschau nach ihm.
Auch jetzt stand sie wieder vor der Floßhütte und blickte auf die Stadt, die größte der Kanadischen Konförderation. Vor der
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