Im Land des Roten Ahorns
es gut und hat keine Hintergedanken, dachte sie und konnte es kaum fassen.
»Gefällt es Ihnen denn nicht?«, fragte Monahan, nun sichtlich irritiert. Er schämte sich beinahe, dass er so danebengegriffen hatte.
Jaqueline trocknete ihre Tränen und räusperte sich. »Doch, danke, Mister Monahan. Es ist wirklich wunderschön. Es erinnert mich an ein Kleid, das ich in Deutschland zurücklassen musste.«
»Und welchen Grund haben Sie dann, es abzulehnen?«
Ihr Blick verriet ihm die Antwort.
»Hören Sie«, sagte er dann, während er ein Stück näher an das Bett heranrückte. »Ich versichere Ihnen, dass ich keinerlei Hintergedanken habe. Ich möchte Ihnen nur helfen. Dazu gehört auch, dass ich Ihnen eine kleine Freude machen will. Außerdem müssen Sie ordentlich gekleidet sein, wenn Sie sich Papiere besorgen oder eine Anstellung antreten wollen. Bitte nehmen Sie mein Geschenk an!«
Jaqueline schämte sich plötzlich, dass sie die Absichten ihres Retters in Zweifel gezogen hatte. Auf einmal hasste sie Fahrkrog und Warwick dafür, dass sie sie so misstrauisch gemacht hatten. »Gut, ich nehme es gern«, lenkte sie ein. »Haben Sie vielen, vielen Dank!«
Monahans Miene hellte sich auf. »Das freut mich. Sollte das Kleid nicht passen, bringe ich es gern zum Ändern in die Schneiderei zurück.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber ich kann recht gut nähen. Sollte es nicht passen, werde ich die Änderung selbst vornehmen.«
»Wie Sie wünschen. Aber die Anprobe sollten wir verschieben.« Connor wollte das Kleid und die Segeltuchtasche an sich nehmen, doch Jaqueline hielt beides fest.
»Ach, bitte, Connor, lassen Sie das ruhig noch ein Weilchen hier! Es ist lange her, dass mir jemand so was Schönes geschenkt hat.«
Monahan nickte. Er war so gerührt, dass er kein Wort über die Lippen brachte. Und insgeheim freute er sich auch darüber, dass sie ihn mit dem Vornamen angeredet hatte. Er wandte sich ab, räumte die Suppenschüssel fort und warf noch ein paar Holzscheite ins Feuer.
Indes bewunderte Jaqueline den feinen lindgrünen Stoff und erlaubte sich einen Moment lang die Vorstellung, in diesem Kleid durch St. Thomas zu spazieren - am Arm von Connor Monahan.
Marion Bonville betrachtete sich kritisch im Spiegel, obwohl es an ihrem Bild nichts auszusetzen gab. Ihre schlanke Taille wurde von dem weißen Korsett zu einer perfekten Kurve geformt, ihre Brüste wölbten sich wie zwei Halbmonde über der Spitzenborte ihres Seidenhemdes. Die schmalen Hüften und langen, schlanken Schenkel steckten in langen Seidenunterhosen, und die schillernden Strümpfe betonten ihre zarten Fesseln. Einzig ihre Locken waren nicht makellos. Sie wirkten etwas zerzaust, doch das würden die geschickten Hände ihrer Friseurin richten.
»Ihr Bräutigam wird in der Hochzeitsnacht vollkommen hingerissen sein von Ihnen!«, schwärmte die Schneiderin Mrs Hopkins, die Marion über ihre Betrachtung beinahe vergessen hatte.
»Ich hoffe, das ist er schon vorher«, entgegnete sie, während sie sich vorbeugte, um ihr Gesicht zu betrachten. Sie war seit jeher stolz auf die schmale Nase, die blauen Augen und den milchweißen Teint, um den sie all ihre Schwestern beneideten. Ihr Mund war vielleicht etwas zu groß, aber eigentlich wirkte er ganz verheißungsvoll. Connor betonte jedenfalls immer, dass er ihn liebe.
»Wann meinen Sie, können Sie das Hochzeitskleid fertig haben?«, fragte Marion schließlich, nachdem sie sich von dem Spiegel zurückgezogen hatte. Ihre Hände strichen über das Korsett, und für einen kurzen Moment gestattete sie sich die erregende Vorstellung, dass es Connors Hände waren, die sinnlich darüberstrichen.
»Wann immer Sie es brauchen. Haben Sie denn bereits einen Hochzeitstermin?«
Marions Miene verfinsterte sich für einen Moment. Aber sie hatte nicht umsonst die strenge Erziehung ihrer Mutter genossen, die sie gelehrt hatte, sich in jeder Situation zu beherrschen, und sei diese noch so ärgerlich.
»Ich bin sicher, dass mein Verlobter schon bald einen Termin festsetzen wird. Wir müssen nur zahlreiche Verwandte bedenken und wollen besseres Wetter abwarten. Ihre Kreation soll ja nicht vom Regen aufgeweicht werden.«
Die Schneiderin nickte zustimmend, doch Marion spürte, dass Mrs Hopkins ihr nicht so recht glaubte. Es war mittlerweile stadtbekannt, dass Connor Monahan es mit der Ehe nicht eilig hatte. Zwei Jahre waren sie nun schon miteinander verlobt, lange genug, um endlich zu heiraten. Doch immer wieder
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