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Im Land des Roten Ahorns

Im Land des Roten Ahorns

Titel: Im Land des Roten Ahorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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das Fenster. Wahrscheinlich denkt er, ich habe mir eine heimliche Geliebte zugelegt, ging ihm durch den Sinn. Hoffentlich kann ich mich auf seine Diskretion verlassen, sonst wird Marion mir die Hölle heißmachen.

6

    Der Duft nach Brühe lag in der Luft, als Jaqueline die Augen aufschlug. Doch sie konnte ihn nur kurz genießen, denn sofort erschütterte ein Hustenanfall sie. Um Atem ringend, versuchte sie sich aufzusetzen. Ihre Kraft reichte nicht aus, aber sogleich waren hilfreiche Hände zur Stelle.
    »Da sind Sie ja wieder, Miss Halstenbek«, sagte eine warme Männerstimme.
    »Wie spät ist es denn?«
    »Drei Uhr nachmittags«, antwortete Connor Monahan. »Sie gestatten?«, fragte er und machte Anstalten, ihr das Gesicht mit einem Lappen abzuwischen.
    Sie ließ es geschehen, denn ihre Stirn fühlte sich heiß an. »So lange habe ich geschlafen?«, fragte Jaqueline verwundert. Da das Licht, das durch die Fenster fiel, in ihren Augen schmerzte, blinzelte sie Monahan an.
    »Ja, das haben Sie, und Sie können auch gern noch weiterschlafen. Immerhin sind Sie krank. Sie brauchen Ruhe.«
    Jaqueline sank erschöpft auf ihr Lager zurück. Jetzt erinnerte sie sich wieder daran, dass sie vor dem Kamin zusammengebrochen war. Offenbar hatte Monahan sie gefunden und damit ein zweites Mal gerettet.
    »Sind Sie hungrig?«, fragte Connor und nahm eine kleine Schale in die Hand.
    Kopfschüttelnd verneinte sie. Sie fühlte sich zu matt, um zu essen.
    »Ich fürchte, Sie müssen trotzdem etwas essen«, beharrte Connor. »Der Doc reißt mir die Ohren ab, wenn Sie mir vor Schwäche eingehen.«
    Ein Arzt war hier?, fragte sich Jaqueline. Dann entdeckte sie auf dem Küchentisch ein paar Fläschchen und Tütchen.
    »Doc Leeroy kann ziemlich streng sein«, fuhr Connor fort, während er sich auf einem Stuhl neben dem Bett niederließ. »Wenn er Sie in den nächsten Tagen besucht und sieht, dass es Ihnen nicht besser geht, ist es um meine Ohren geschehen.«
    Die ernste Miene, die er dabei zog, reizte sie zum Lachen, was sie allerdings mit einem erneuten Hustenanfall bezahlte.
    »Immer langsam, Miss Halstenbek! Lachen können Sie noch genug, wenn Sie wieder auf den Beinen sind.«
    Geduldig wartete er, bis der Hustenreiz abgeklungen war. Dann hielt er ihr die Suppenschüssel unter die Nase. Obwohl die Brühe sehr gut roch, hatte Jaqueline keinen Appetit. Ihre Brust schmerzte beim Atmen, und ihre Arme stachen bei jeder Bewegung.
    »Nur einen Löffel«, bat Monahan mit einem gewinnenden Lächeln.
    »Also gut, einen«, lenkte sie ein und öffnete den Mund.
    Connor balancierte den vollen Löffel geschickt über die Bettdecke hinweg.
    Jaqueline musste zugeben, dass die Brühe so gut schmeckte, wie sie roch. Außerdem ölte sie den wunden Hals ein wenig.
    »Wann war der Doktor denn hier?«
    »Gestern Nacht.« Connor tupfte ihr vorsichtig den Mund mit einem Tuch ab. »Nachdem ich Sie fiebernd am Boden gefunden hatte, bin ich zu ihm geritten, denn ich kenne mich nicht mit Krankheiten aus.«
    »Das war sehr nett von Ihnen. Ich fürchte nur, ich werde ihn nicht bezahlen können.«
    »Keine Sorge, Doc Leeroy ist ein guter Kerl. Er hat ein Herz für Menschen, die in Not geraten sind. Wie wäre es mit einem weiteren Löffel Brühe?«
    »Wir hatten doch nur einen ausgemacht«, gab Jaqueline schwach lächelnd zurück, öffnete aber den Mund.
    Als die Schüssel halb leer war, stellte Connor sie beiseite und holte das Paket hervor, mit dem er Jaqueline am Vorabend überraschen wollte. »Hier, das habe ich Ihnen aus der Stadt mitgebracht. Eigentlich wollte ich es Ihnen schon gestern überreichen.«
    Die Segeltuchtasche lag angenehm schwer auf ihrem Bauch, während Jaqueline mit fahrigen Händen hineinfuhr. Wenig später blitzte ihr lindgrüner Stoff entgegen, und sie erstarrte.
    »Was ist?«, fragte Connor.
    Jaqueline konnte noch immer nicht antworten, so überwältigt war sie.
    Ein Kleid, dachte sie, während ihre Hände begehrlich über den Stoff strichen. Er schenkt mir ein Kleid!
    »Das kann ich nicht annehmen!«, platzte es im nächsten Augenblick aus ihr heraus, als die ungute Erinnerung an Warwicks Geschenk wieder in ihr aufstieg.
    »Warum denn nicht?«, fragte Connor überrascht. »Da Ihr altes Kleid geflickt werden muss und nicht mehr salonfähig ist, dachte ich, Sie könnten eines gebrauchen. Das können Sie bei einem Vorstellungsgespräch tragen. Oder wenn Sie in die Stadt gehen wollen.«
    Jaqueline stiegen Tränen in die Augen. Offenbar meint er

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