Im Land des Roten Ahorns
bemüht hatte, es vor ihm zu verbergen. Im Gegenteil, sie hatte sich durchaus wissbegierig gezeigt. Er musste lächeln, als er sich seine Verlobte in der gleichen Situation vorstellte. Wie anders hätte Marion reagiert! Mit Sicherheit hätte sie ihr feines Näschen gerümpft und ihm vorgehalten, dass man einer Dame solch einen Anblick einfach nicht zumuten könne. Connor seufzte. Tja, vielleicht hatte Marion ja Recht. Aber trotzdem: Es war so viel entspannter, mit Jaqueline umzugehen als mit seiner schönen Verlobten und ihren extravaganten Freundinnen. Ob er es jemals schaffen würde, Marion keinen Anlass zum Stirnrunzeln zu bieten?
Als die Hütte vor ihm auftauchte, stockte Connor.
Kein Rauch? Hatte Jaqueline das Feuer ausgehen lassen? Und das bei diesen Temperaturen? Oder ist ihr etwas zugestoßen?
Mit einem Satz sprang er aus dem Sattel, stürmte zur Tür und klopfte an.
Keine Antwort.
Er rüttelte an der Tür. Sie war verriegelt.
»Miss Halstenbek?«, rief er und klopfte erneut.
Es blieb still.
Connor wiederholte seinen Ruf, während er durch das Fenster spähte.
Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er Jaqueline entdeckte. Sie lag nur wenige Schritte von der Esse entfernt auf dem Boden.
»Um Himmels willen!«, murmelte Connor und drückte gegen die Fensterflügel.
Zum Glück gaben sie nach. Offenbar hatte er am Vortag vergessen, das Fenster zu verriegeln. Dankbar kletterte Connor ins Innere.
»Miss Halstenbek, hören Sie mich?«, rief er und sank neben der Bewusstlosen auf die Knie. Als sie nicht antwortete, tastete er nach ihrem Puls.
Sie glüht wie ein Schmiedefeuer!, durchfuhr es Connor.
Vorsichtig hob er Jaqueline auf und trug sie zum Bett.
Jaqueline stöhnte und brabbelte etwas Unverständliches.
»Miss Halstenbek, hören Sie mich?«
Aber er erhielt wieder nur ein Stöhnen als Antwort.
Sie fiebert! Ich muss einen Arzt holen, und zwar schnell, dachte Connor.
Überwältigt von Angst, sah er plötzlich wieder die kleine Beth vor sich, und er war wie gelähmt. Sein Herz raste, seine Hände wurden feucht. Nein, noch einmal durfte der Arzt nicht zu spät kommen.
Er durfte jetzt nicht an Beth denken! Entschlossen schob Connor die schmerzende Erinnerung beiseite. Er holte zwei Decken aus der Truhe und wickelte die junge Frau zusätzlich darin ein.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn jemand auf sie aufgepasst hätte, doch zum Lager zu reiten und jemanden herzuschicken würde zu lange dauern. Er wollte auf kürzestem Wege nach St. Thomas reiten.
Nachdem er Jaqueline noch einmal vergeblich angesprochen hatte, stürmte er aus der Hütte.
Das Wetter hatte sich inzwischen weiter verschlechtert. Während Connor sein Pferd antrieb, als sei der Teufel hinter ihm her, wirbelten Erdklumpen und Grassoden unter ihm auf. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, aber das kümmerte ihn nicht.
Hoffentlich hält Jaqueline durch, dachte er, und seine Gedanken wanderten zurück zu Beth. Seine kleine Schwester hatte nicht durchgehalten. Als sein Vater mit dem Arzt ans Krankenbett seiner fiebernden Tochter trat, war es bereits zu spät. Beth starb kurz vor ihrem achten Geburtstag.
Connor, der damals zwölf Jahre war, hatte jahrelang um seine einzige Schwester getrauert. Und noch heute bereitete ihm die Erinnerung an ihren tragischen Tod großen Schmerz. Die gleiche Sorge, die er damals für Beth empfunden hatte, erfüllte ihn nun seltsamerweise auch für Jaqueline. Obwohl er sie erst seit zwei Tagen kannte, hatte sie ihn mit ihrem sanften Wesen für sich eingenommen.
Sie darf nicht sterben! Auch sie ist noch jung und voller Neugierde auf das Leben, grübelte er.
Zum Glück tauchten nun die Lichter von St. Thomas vor ihm auf, ein Anblick, der Connor ablenkte. Er schob die schwarzen Gedanken beiseite und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Die Straßen des Ortes waren zu dieser Uhrzeit beinahe ausgestorben. Nur aus dem örtlichen Pub drangen noch Geräusche. Ein Pianospieler gab eine alte englische Weise zum Besten, ein paar angetrunkene Gäste sangen dazu. Connor preschte durch die Pfützen und erreichte wenig später das Haus des Arztes.
Dr. Leeroy war ein erfahrener Arzt, dem die ganze Stadt großes Vertrauen schenkte. Wie Connor vermutet hatte, war das Licht in den Fenstern seiner Praxis bereits erloschen.
Da Rufe nicht helfen würden, suchte sich Monahan kurzerhand einen Kieselstein und warf ihn gegen das Giebelfenster, hinter dem sich Leeroys Schlafzimmer befand.
Es dauerte nicht lange, bis dort Licht
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