Im Land des Roten Ahorns
fand er einen Grund, die Hochzeit zu vertagen.
Die Liebe zu seiner verdammten Sägemühle! Es kümmert ihn nicht, dass er mich allmählich zum Gespött der Leute macht!, dachte Marion.
Rasch verbarg sie ihren Kummer unter einem perfekten Lächeln. »Sehen Sie zu, dass Sie das Kleid in vier Wochen liefern können!« Doch ihre barsche Stimme verriet, wie aufgebracht sie war.
»Wie Sie wünschen, Miss Bonville.«
Die Schneiderin schnippte mit den Fingern, und sogleich huschte eine ihrer beiden Gehilfinnen herbei, die sie in das Haus der Bonvilles begleitet hatte.
Marion beobachtete kritisch, wie sie die abgesteckte Seidenrobe, die selbstverständlich der neuesten Pariser Mode entsprach, von der Kleiderpuppe nahm und dann vorsichtig in einer länglichen Schachtel verstaute.
Wenn ich es das nächste Mal sehe, ist es vollkommen, dachte Marion freudig.
»Möchten Sie die Unterwäsche schon hierbehalten, oder soll ich sie wieder mitnehmen?«, wollte die Schneiderin wissen und riss Marion aus ihren Gedanken.
»Lassen Sie sie hier!«, antwortete Marion, während sie insgeheim überlegte: Wenn ich Connor schon vor der Hochzeit verführe, wird er keine Möglichkeit mehr haben, die Hochzeit zu verschieben.
Connor hatte kein besonders gutes Gefühl dabei, Jaqueline allein zu lassen, aber er hatte keine andere Wahl. Er musste Marion mitteilen, dass das gemeinsame Abendessen ausfallen würde. In der Nacht brauchte die Deutsche ihn mehr als seine Verlobte, die kerngesund war und ein unbeschwertes Leben im Haus ihres Vaters führte.
Während er sein Pferd die Hauptstraße von St. Thomas hinauftrieb, begegnete er ein paar von seinen Kunden, Geschäftsmänner, die dann und wann Holz bei ihm kauften, wenn sie neue Gebäude errichten oder alte erweitern wollten. Alle grüßte er freundlich, doch Zeit für einen kurzen Plausch nahm er sich nicht.
Vor dem Haus der Bonvilles machte er schließlich Halt. Es war eines der größten Gebäude von St. Thomas. Übertroffen wurde es nur von der Kirche und der vor einigen Jahren fertiggestellten Railway Station. Nicht umsonst behaupteten manche, dass George Bonville der heimliche Bürgermeister der Stadt sei. Reicher als der Mayor war Marions Vater auf jeden Fall, was dieser Benton Stockwell auch regelmäßig spüren ließ, wenn es um Beschlüsse im Stadtrat ging.
Mit alldem hatte Monahan nichts am Hut. Er verabscheute die Politik, denn in seinen Augen gründete sie sich hauptsächlich auf Lügen, mit denen er sein Gewissen nicht belasten wollte. Deshalb hatte er bisher jedem Versuch Bonvilles widerstanden, ebenfalls Platz im Stadtrat zu nehmen. Die Arbeit in seiner Firma, die ihn voll und ganz einnahm, war stets eine gute Ausrede, und sosehr er Marion auch liebte, von ihrer Familie vereinnahmt werden wollte er nicht.
Nachdem er sein Pferd festgebunden hatte, eilte er die Treppe hinauf. Wie von Geisterhand öffnete sich die Tür, bevor er überhaupt nach dem Türknauf greifen konnte.
James, der zuverlässige Butler der Bonvilles, hatte ihn natürlich bemerkt. »Willkommen, Mr Monahan! Die junge Herrin wird erfreut sein, Sie zu sehen.«
Das wagte Connor zu bezweifeln. Er kannte Marion nur allzu gut und wusste, wie sie reagieren konnte, wenn etwas nicht so lief, wie sie es sich in ihren hübschen Kopf gesetzt hatte.
Das Essen an diesem Abend war schon eine Weile geplant. Verschiedene wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren dazu geladen. Damit wollte Marions Vater hinsichtlich der in wenigen Monaten stattfindenden Stadtvertreterwahl für sich werben. Allerdings würde er auf seine Unterstützung verzichten müssen.
»Ich werde Sie dem Fräulein melden«, erklärte der Butler.
»Tun Sie das, James! Ich komme gleich. Vorher möchte ich nur noch einmal kurz in die Küche, um etwas mit Savannah zu besprechen.«
Der Butler verneigte sich. »Wir Sie wünschen, Sir!«
Connor begab sich schnurstracks in die Küche.
Savannah, die langgediente Köchin der Bonvilles, war irokesischer Herkunft und kannte sich hervorragend mit Kräutern aus. Für ihre Herrschaften zauberte sie nicht nur köstliche Mahlzeiten, sondern braute auch Medikamente. Connor war sicher, dass sie auch gegen Jaquelines Leiden ein Mittelchen hatte.
An diesem Nachmittag hatte Savannah mit den Vorbereitungen des Abendessens alle Hände voll zu tun. Einige Dienstmädchen waren zu ihrer Unterstützung in die Küche abgeordnet worden. Mit befehlsgewohnter Stimme scheuchte die Köchin ihre Untergebenen umher,
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