Im Land des Roten Ahorns
mir nicht erlauben, noch mehr Zeit zu vergeuden. Deshalb sagte er nur: »Also gut, ich verabschiede mich wieder. Viel Vergnügen heute Abend!«
Als er sich umwandte, meinte er, Marions Blicke wie Nadelstiche im Rücken zu spüren. Sie wird sich schon wieder beruhigen, tröstete er sich.
Auf dem Weg zur Haustür traf er erneut auf James, der ihn verwundert ansah.
»Sie wollen uns schon wieder verlassen, Mr Monahan?«
Connor zwang sich zur Ruhe. »Ja, James, tut mir leid. Ich werde in den nächsten Tagen wieder vorbeischauen.«
Damit setzte er den Hut auf und verließ das Haus.
Er hatte sich gerade in den Sattel geschwungen, als Dr. Leeroy neben ihm auftauchte.
»Mr Monahan!«, rief der Arzt, während er ihm mit einem Handzeichen bedeutete, dass er mit ihm sprechen wolle.
Connor war das alles andere als recht. Dennoch beugte er sich zu dem Arzt hinab.
»Wie geht es denn meiner Patientin?«
»Sie ist wieder bei Bewusstsein, und das Fieber ist gesunken«, berichtete Connor und legte unwillkürlich die Hand auf die Tasche, in der die Flasche mit dem Hustensaft steckte. »Ich reite gerade wieder zu ihr.«
»Dann grüßen Sie sie schön! Sehe ich Sie heute Abend im Haus Ihres Schwiegervaters?«
»Nein, ich komme nicht«, erklärte Connor. »Ich werde ein Auge auf Miss Jaqueline haben und möchte Sie bitten, Ihre Schweigepflicht zu wahren. Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Verlobten. Sie weiß, wo ich bin, aber dennoch braucht sie keine Details zu wissen.«
»Keine Sorge!«, gab Leeroy ein wenig verstimmt zurück, denn er mochte nicht, wenn man sein Wort in Zweifel zog. »Ich weiß sehr wohl, was meine Schweigepflicht bedeutet. Außerdem will ich bei einem privaten Essen ohnehin nicht über meine Arbeit reden.«
Connor wusste nur zu gut, dass der Doktor es noch nie geschafft hatte, sich an diesen Vorsatz zu halten. Viel zu oft hatte er schon mit angehört, was der Arzt über die Leiden mancher seiner Patienten verbreitete.
»Gut. Haben Sie vielen Dank!«
»Wenn es der jungen Dame etwas besser geht, erwarte ich sie in meiner Praxis«, setzte Leeroy noch hinzu, bevor er sich verabschiedete.
Wütend schleuderte Marion die Haarbürste von sich. Sie verfehlte den Spiegel nur knapp, und die Bürste polterte auf das Parkett.
Die Dienstmädchen standen noch immer wie angewurzelt zwischen den Schneiderpuppen mit den Abendkleidern.
»Was steht ihr da und glotzt so dumm in die Gegend?«, fuhr Marion sie an.
Während ein Mädchen sogleich loshuschte, um die Bürste aufzuheben, und das andere an einem der Kleider herumnestelte, betrachtete Marion sich erneut im Spiegel.
Eine fremde Frau, dachte sie zornig, ein dahergelaufenes Weib ist ihm wichtiger als ich! Habe ich mich so sehr in dir getäuscht, Connor Monahan? Misstrauen stieg in ihr auf. Hat er sich vielleicht eine Geliebte angelacht? Irgendein dahergelaufenes Flittchen aus Chatham? Wie man hört, ist die Stadt ein ziemlicher Sündenpfuhl. Wenn man so lange wie er nur mit Männern unterwegs ist, kann man schon mal auf dumme Gedanken kommen. Aber andererseits: Hätte er ihr diese Geschichte dann überhaupt erzählt?
Das Klappen der Tür ließ sie hoffnungsvoll herumfahren. Kommt er zurück?
»Oh, verzeih, Liebes, ich wusste nicht, dass du dich gerade ankleidest!«
Enttäuschung malte sich auf Marions Gesicht. Nicht Connor, ihr Vater stand vor ihr.
»Ich weiß gar nicht, ob ich mich wirklich so fein machen soll.« Sie seufzte.
»Warum denn nicht?« Bonville zupfte an seiner Krawatte, die in ihrem vornehmen Silberton bestens auf seinen dunkelgrauen Gehrock abgestimmt war.
»Connor wird nicht kommen.«
Bonville zog die Augenbrauen hoch. »Was sagst du da?«
»Er war eben hier und hat es mir mitgeteilt.«
»Und aus welchem Grund?« Bonvilles Ton verriet Entrüstung. Er schätzte es überhaupt nicht, wenn sich sein zukünftiger Schwiegersohn bei offiziellen Anlässen rar machte.
»Eine Frau!«
»Eine was?«
»Er hat eine Frau im Wald aufgelesen, noch dazu eine kranke. Die ist ihm wichtiger als ich.«
Bonville verstand noch immer nicht. »Eine kranke Frau?«
»Ja, er hat sie gefunden«, antwortete Marion schnippisch. »Angeblich ist ihr Zustand lebensbedrohlich. Deshalb will Connor den Abend über bei ihr bleiben, anstatt mit uns zu essen.«
»So etwas gibt es doch nicht!« Bonville fuhr herum und begann, auf und ab zu gehen. Dabei schüttelte er immer wieder den Kopf. »Sicher ist es eine alte Landstreicherin«, sagte er schließlich.
Marion
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