Im Land des Roten Ahorns
möglich. »Er war schon eine Weile schwer krank.«
»Wie bedauerlich!«, sagte Bonville mit gespieltem Mitleid. »Und Sie sind in Kanada jetzt auf der Suche nach einer guten Partie?«
Diesmal gelang Jaqueline nicht, ihre Betroffenheit über so viel Taktlosigkeit zu verbergen. Erschrocken suchte sie Connors Blick. Es kostete sie große Anstrengung, mit ruhiger Stimme zu antworten: »Nein, ich dachte eher daran, das Land zu erkunden, das mein Vater auf seine Karten gebannt hat. Vielleicht gelingt es mir, einige Erkenntnisse zu sammeln und sie zu veröffentlichen, wie es andere reisende Frauen bereits getan haben.«
Die Damen rümpften sichtlich die Nase, aber Bonville zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt. »Nun, dann hat Ihr Vater Ihnen wohl ein ziemliches Vermögen vermacht.«
Jaqueline musste zugeben, dass ihr Gegenüber ein ausgeprägtes Gespür für die Schwächen anderer Menschen hatte. Aber dass er es ausspielte, machte ihn nicht sympathischer. Eine tiefe Abneigung gegen Bonville stieg in ihr auf.
Ein erneuter Seitenblick auf Connor zeigte ihr, dass er dieses Gespräch alles andere als billigte.
Eigentlich geht es Bonville gar nichts an, was ich hier mache und wie meine finanzielle Lage ist, dachte Jaqueline. Er sucht nur nach einer Gelegenheit, mich vor seiner Tochter herabzusetzen.
»Ich kann mich über meinen Vater nicht beklagen, Mister Bonville. Er war ein ausgesprochen fürsorglicher und höflicher Mann.«
Jaqueline bemerkte, dass die Blicke, die sie jetzt trafen, stechend wurden.
Monahan lächelte gequält. Er wirkte peinlich berührt.
Jaqueline ahnte, dass er am liebsten sofort wieder in den Wald geritten wäre.
»Schön, dass Sie wieder auf den Beinen sind, meine Liebe«, schaltete sich Marion nun in das Gespräch ein. »Sie sollten sich nicht davon abhalten lassen, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.«
Das musst gerade du sagen!, dachte Jaqueline spöttisch. Dein Leben ist vermutlich bereits bis ins Detail vorgezeichnet. Wahrscheinlich wirst du nie einen Fuß aus diesem Palast setzen, es sei denn, dein Ehemann nimmt dich mit auf Reisen.
»Vielen Dank für den Hinweis. Genau das habe ich vor«, gab sie kühl zurück. Ich darf nicht auf ihre Provokationen eingehen!, hämmerte sie sich ein, während sie ihr vor Aufregung stolperndes Herz wieder in den Griff zu bekommen versuchte. »Nur werde ich heute Abend wohl kaum die Gelegenheit haben, mir eine andere Bleibe zu suchen. Es sei denn, einer Ihrer Gäste vermietet mir ein Zimmer.«
Marion öffnete den Mund, aber eine passende Erwiderung blieb aus.
Jaqueline fühlte sich zunehmend unwohl. »Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich möchte mir gern etwas zu trinken holen. Da ich keinen Begleiter habe, werde ich eben selbst für mich sorgen.« Lächelnd wandte sie sich ab.
Sie wusste, dass man ihr das als schlechtes Benehmen auslegen würde, aber was hatte sie schon zu verlieren?
Sie bahnte sich einen Weg durch die Gäste und sah sich suchend um. Sofort kam ein Diener in einer weißen Livree auf sie zu. Er trug ein Tablett mit gefüllten Champagnerflöten. Bevor er ihr ein Glas anbieten konnte, nahm sie sich eines und zog sich damit in eine Ecke des Saales zurück. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf die Gäste, ohne gleich von allen bemerkt und angegafft zu werden.
Zitternd hob Jaqueline das Glas an die Lippen und trank. Obwohl das Getränk vermutlich teuer war, schmeckte es schal.
Ich gehöre nicht hierher, dachte sie und stellte das Glas auf einem Tischchen ab. Wäre Vater bei mir, würden solche Leute wie die Bonvilles mich sicher mit offenen Armen empfangen. Aber dann fragte sie sich, ob ihr überhaupt an der Achtung von George Bonville und seiner Tochter lag. Die beiden mochten Geld haben, Charakter hatten sie jedenfalls nicht.
»Glaub ja nicht, dass du mir meinen Verlobten abspenstig machen kannst!«, zischte es da plötzlich.
Jaqueline hob den Blick. Marion Bonville stand vor ihr, flankiert von ihren beiden Freundinnen. Alle drei wirkten so angriffslustig, als wollten sie ihr eine Tracht Prügel verabreichen.
»Das habe ich gar nicht vor«, gab Jaqueline ruhig zurück, obwohl der Zorn ihr Herz rasen ließ.
»Das hast du gar nicht vor?« Marion stieß ein schrilles Gelächter aus. Offenbar hatte sie dem Punsch schon zu sehr zugesprochen. »Natürlich hast du das vor! Ich kenne solche Weibsbilder wie dich! Schau dich doch mal an mit deinem billigen Kleid und deiner Frisur! Du bist nur darauf aus, eine
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