Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Roten Ahorns

Im Land des Roten Ahorns

Titel: Im Land des Roten Ahorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
Vom Netzwerk:
nicht nur schön, sondern besitzt auch eine ganze Menge Mut. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie ihr Glück findet.
    »Na, dann nichts wie hinein! Stellen wir uns der Meute!« Damit gab er ihr den Vortritt.
    Obwohl die Wärme der Eingangshalle Jaqueline wie ein Mantel umfing, hatte sie plötzlich das Gefühl, zu Eis zu erstarren, denn das Augenmerk der Anwesenden richtete sich sogleich auf sie. Die Blicke, die sie trafen, erschienen Jaqueline spitz wie Nadeln. Eine heftige Übelkeit überfiel sie, sodass sie auf der Stelle stehen blieb.
    »Nur Mut, Miss Jaqueline!«, raunte Connor hinter ihr. »Es ist wie mit Raubtieren. Erlaubt man sich die kleinste Schwäche, fallen sie über einen her. Schaut man ihnen in die Augen, ziehen sie sich zurück.«
    »Keine Sorge, ich habe keine Angst.«
    Obwohl das nicht der Wahrheit entsprach, straffte Jaqueline sich und schritt mit hoch erhobenem Haupt voran. Denk an früher zurück!, ermahnte sie sich.
    Doch das erwies sich nicht als hilfreich, denn in Hamburg hatte sie auf Empfängen nie schiefe Blicke geerntet oder erleben müssen, dass bei ihrem Auftritt getuschelt wurde.
    Verwirrt zwang Jaqueline sich, nicht mehr auf die Umstehenden zu achten.
    Schließlich erreichten sie eine offen stehende Flügeltür, hinter der sich weitere Menschen drängten.
    Hat diese Familie so viele reiche Freunde?, fragte sich Jaqueline beeindruckt, als sie all die eleganten Gehröcke, Fräcke und Abendroben sah. Juwelen glitzerten ihr entgegen und riefen die Erinnerung an die Brosche wach, die sie versetzt hatte. Wenn ich gewusst hätte, was mich in Kanada erwartet, hätte ich das Geld für etwas anderes verwendet, dachte sie niedergeschlagen.
    Am liebsten hätte sie Halt suchend nach Connors Hand gegriffen, aber das wäre zutiefst unpassend gewesen.
    Monahan führte sie zu einer kleinen Gruppe, die aus drei Frauen und zwei Männern bestand. Eine der Damen stach zwischen den anderen hervor wie eine einsame Lilie inmitten von Feldblumen. Ihr lindgrünes Kleid war aus Seide, und die Frisur, zu der die schwarzen Haare aufgesteckt waren, konnte man nur als extravagant bezeichnen.
    Wahrscheinlich nimmt sie ein Bleichmittel, um ihre Haut so strahlend weiß zu bekommen, ging Jaqueline angesichts des makellosen Porzellanteints durch den Kopf. Ist das Monahans Verlobte?
    Während sich alle Augen auf Jaqueline richteten, konnte diese den Blick nicht von der Dame in Lindgrün lassen.
    »Ah, Connor, da sind Sie ja!«, rief einer der Männer, der einen ausgefallen geschnittenen Gehrock trug, in dem er wie einer anderen Zeit entsprungen wirkte. »Ich dachte schon, Sie würden auch diesen Anlass versäumen.«
    »Warum sollte ich?«, gab Monahan zurück. »Mein Gast ist wieder genesen und bedarf nun keiner Aufsicht mehr.«
    »Dann ist das also das Findelkind«, bemerkte der Mann mokant.
    Trotz seines guten Aussehens war er Jaqueline auf Anhieb unsympathisch, denn er erinnerte sie an Fahrkrog.
    »Das ist die junge Dame, der ich geholfen habe«, erklärte Monahan ungerührt, als habe er den spitzen Unterton nicht bemerkt. »Miss Jaqueline Halstenbek aus Deutschland.«
    »Eine Einwanderin«, zischte jemand im Hintergrund abfällig.
    »Miss Halstenbek, das sind meine Verlobte Marion Bonville, Miss Elina Chance, Miss Mary Wenham sowie ihr Vater August Wenham und mein zukünftiger Schwiegervater George Bonville.«
    Jaqueline war sicher, dass sie die anderen Namen morgen schon wieder vergessen haben würde. Doch auf keinen Fall den der Bonvilles. Ihr entging nicht, dass in Marions Augen Feindseligkeit aufblitzte.
    O ja, Mr Monahan, Marion und ich werden bestimmt die besten Freundinnen, spottete sie im Stillen, während sie den Kopf zum Gruß neigte und ein Lächeln aufsetzte.
    »Miss Halstenbeks Vater war einer der besten Kartografen Deutschlands. Die junge Dame möchte in seine Fußstapfen treten.«
    »Rote Haare wie eine Hexe«, flüsterte eine der Damen ihrer Nachbarin zu, nicht mal besonders unauffällig. Wahrscheinlich wollte sie, dass Jaqueline es hörte.
    Obwohl diese Worte Jaquelines Zorn entfachten, tat sie so, als habe sie nichts gehört. Da man sie hier offenbar für unkultiviert hielt, würde sie den Leuten das Gegenteil beweisen und sich vollkommen ungerührt geben. Vielleicht hören sie auf, wenn sie die Lust verlieren, dich zu verspotten, dachte sie.
    »Er war es?«, fragte Bonville belustigt. »Ist er es denn nicht mehr?«
    »Mein Vater ist vor zwei Monaten gestorben«, erklärte Jaqueline so ruhig wie

Weitere Kostenlose Bücher