Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
Vom Netzwerk:
sofort die Herkunft der beiden Schiffe: England.
    Anne hatte inzwischen genug gelernt, um die Typen zu erkennen. Das eine war ein Schoner, der Name an seinem Bug lautete Isabella . Den hatte sie noch nie zuvor gehört. Anders bei dem zweiten Schiff, der Alligator . Eine Man O’War, ein Kriegsschiff. Dieses Paar verfolgte keine friedlichen Absichten, das stand fest. Anne duckte sich unwillkürlich enger an ihren Felsen heran. Wenn diese Schiffe den Kampf mit den Maori suchten – wie sollte sie sich und ihr Baby dabei schützen? Konnte es sein, dass David diese Expedition auf den Weg gebracht hatte?
    Vor allem musste sie aber die Maori warnen. Sie hatten sie gut behandelt – es wäre einfach unfair, wenn sie völlig unvorbereitet dem Kugelhagel der Alligator ausgeliefert würden.
    Als Anne den Strand wieder erreichte, rannte sie los – so schnell es ihr dicker Bauch zuließ.

EAST CAPE, 1832

    25.
    »Die Engländer! Sie kommen!«, schrie sie, als sie den Schutzwall erreichte. Ihr erschienen die Palisaden lächerlich angesichts der Kanonen auf der Alligator . »Achtung! Die Engländer kommen!«
    Die Maori waren alle ihrem Tagesgeschäft nachgegangen. In der Werkstatt für den Flachs entstanden neue Decken, aus dem Kochhaus drangen leckere Gerüche. Und sie unterbrachen ihre Arbeit auch nicht wegen des schrillen Geschreis einer Schwangeren. Oaoiti stellte sich ihr in den Weg.
    »Ja, sie kommen. Sie bringen Musketen für uns und wollen dich abholen. Da musst du nicht brüllend durch meinen Pa laufen. Siehst du böse Geister?«
    »Du verstehst es nicht!«, keuchte Anne. »Die kommen ganz sicher nicht friedlich, um dir ein paar Gewehre zu geben. Die greifen an. Glaub mir, eine Man O’War schicken die Briten nicht, wenn es um ein kleines Gegengeschäft geht. Die wird nur dann aufgefahren, wenn es um einen Krieg geht. Ihr müsst zahlen für meine Gefangenschaft – und nach dem, was ich gesehen habe, ist der Preis hoch!« Sie rang erneut nach Luft. Die Aufregung und der kurze Spurt am Strand hatten sie an die Grenze ihrer Kräfte gebracht.
    Oaoiti runzelte die Stirn. »Kriegsschiff? Ich denke, die Engländer lassen uns in Frieden? Das ist unser Land. Warum warnst du uns?«
    »Ihr habt mich gut behandelt. Ein paar von euch sind fast meine Freunde. Ich möchte nicht, dass euch etwas passiert«, brachte sie atemlos hervor. »Und die Engländer kennen keine Gnade, wenn sie der Meinung sind, dass sie angegriffen wurden!«
    Paddy-Jay trat neben Oaoiti. Seit Monaten hatten er und seine Männer sich im Hintergrund gehalten. Ihr Lager lag einige Hundert Meter entfernt in einer weiteren Bucht, Anne hatte sie fast vergessen. Aber heute war Paddy-Jay im Pa. Ein denkbar ungünstiger Tag für einen Besuch – aber er wusste wie immer alles besser. »Du willst sagen, die Krone greift uns an? Wie soll dein Mann das hingekriegt haben? Das glaube ich nie und nimmer! Die ist zu dumm, um einen Walfänger von einer Man O’War zu unterscheiden.«
    »Dann geh doch mal zum Strand, du Idiot, und schau selber nach, was du angerichtet hast!«, schrie Anne. Sie deutete in Richtung Meer. »Und dann kannst du deine Freunde hier überzeugen, dass ein Schiff mit fünfzig Kanonen an Bord ganz sicher nur auf einer friedlichen Mission unterwegs ist! Ich habe keine Ahnung, wie du auf die Idee kommen kannst, dass man zwei Jahre in Kororareka leben kann und nicht am Schluss jedes Schiff im Dunkeln bei Neumond erkennen könnte. Ihr solltet doch wissen, dass ich nicht zu den Mädchen zähle, die nicht weiter als bis zum nächsten Idioten zwischen ihren Beinen denken können.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich hindere euch nicht daran, hier zu sitzen und darauf zu warten, dass man euch die Köpfe wegbläst. Ist ja nicht mein Problem … Ich gehe dann ein bisschen Farnsprossen sammeln. Tief im Wald, damit ich euch nicht störe!«
    Oaoiti hob die Hand, um ihren Redeschwall zum Verstummen zu bringen. Er winkte Amiri heran. »Geh und sieh, ob Anne wahre Kunde bringt.«
    Während Lottys Sohn unterwegs war, um einen eigenen Blick auf die Bedrohung vom Meer zu werfen, schwiegen alle Männer des Stammes. Keiner wirkte auch nur im Geringsten beunruhigt. Sie führten viele Kriege mit anderen Stämmen, hatten aber keinerlei Erfahrung mit einer so massiven Begegnung mit Kanonen und Gewehren. Anne sah sie der Reihe nach an und konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen. In dieser Beziehung war dieser Stamm wie kleine Kinder, die nicht wussten, dass man sich von Feuer

Weitere Kostenlose Bücher