Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
segeln?«
»Sicher kann ich das!«, lachte Wilcox. »Aber nur mit der Hilfe meiner Frau – und schlafen dürfen wir dann auch nicht. Wenn wir also auf eine größere Fahrt gehen, dann werde ich dich wohl anheuern müssen …«
»Das könnt Ihr, mein Herr. Das könnt Ihr wirklich!«, strahlte der Junge und half mit noch größerem Eifer, die vielen Dinge in dem kleinen Beiboot zu verstauen, das sie zurück zur Isabella bringen sollte.
Nur wenig später waren sie wieder unterwegs in »ihre« Bucht – ohne die beiden Matrosen, die sie in Picton zurückgelassen hatten. Anne fühlte, wie sich ein tiefer Frieden in ihr breitmachte, als sie erneut durch den schmalen Einschnitt in der Hügelkette in ihr verstecktes Paradies hineinsegelten. Irgendwie fühlte sich dieser Ort schon jetzt fast wie eine Art Heimat an.
Sie warfen Anker und brachten alle ihre Habseligkeiten ans Ufer. Anne betrachtete die Kisten, die ihr Mann in Picton beim Schmied gekauft hatte. »Was ist das?«
»Nägel, um ein stabiles Haus zu bauen. Ein Hammer, eine zweite Axt, Munition für mein Gewehr … alles, was wir in der nächsten Zeit brauchen können!«
Am Strand begannen sie sofort, aus ein paar geölten Planen und einem großen Stück Segeltuch eine Art Unterkunft zu bauen. Noch bevor es an diesem Tag dunkel wurde, hatte Anne das Gefühl, dass sie auch einem kleinen Sommerregen ohne Probleme trotzen würden.
Schon am nächsten Morgen machten sie sich auf zu dem kleinen Sattel zwischen den beiden Hügeln. Hier wollten sie ein Stück Land roden, um Gemüse anzubauen, und vor allem: um sich ein stabiles Haus zu errichten – am besten noch, bevor es Winter wurde. Anne sah einen Moment lang besorgt in den Busch, der hier oben zum Glück nicht sonderlich dicht wuchs.
»Wir sollten zuerst die Maori um Erlaubnis bitten, uns hier anzusiedeln – und ihnen dieses Stück Land abkaufen«, erklärte sie. »Wenn wir hier ein Feuer legen, um möglichst schnell einen Teil des Waldes loszuwerden, dann werden sie sich übergangen fühlen und womöglich angreifen. Das sollten wir unbedingt vermeiden.«
»Aber wo mögen sie stecken? Meinst du, sie beobachten uns schon?« Er sah sich jetzt ebenfalls aufmerksam um, so als ob er jeden Augenblick mit einem aufgebrachten Maori mit rollenden Augen rechnete, der direkt aus dem Wald heraussprang.
»So gerne ich noch heute anfangen würde … ich denke, es ist klüger, wir machen durch ein Feuer mit viel grünem Holz auf uns aufmerksam und warten dann auf einen Besuch der Maori. Hoffentlich ist ihre Sprache hier nicht völlig anders als auf der Nordinsel – aber wenn das so ist, dann rede ich mit ihnen. Dann können wir eine lange Zeit der Freundschaft und der Eintracht mit dem Stamm beginnen, der hier lebt. Es könnte uns immerhin von Nutzen sein, wenn wir auch einmal ihre Heilerin befragen dürfen. Oder in einem harten Winter ein wenig von ihren Vorräten erstehen können.«
»Ist das wirklich nötig?« David wiegte seine Axt in der Hand. »Wir sollten eigentlich jeden Tag nutzen, bevor das Wetter rau wird. Es ist schon Januar, Ende April wird sich die Witterung leider ändern.«
Anne lachte. »Wenn du hier ein bisschen Grund freischlägst und wir mit dem Bau eines kleinen Hauses anfangen, dann haben nicht einmal die Maori etwas dagegen, da bin ich mir sicher.«
Beruhigt griff David nach seiner Axt, während Anne vor ihrem Zelt unten am Strand mit ihrem neu erworbenen Feuerstein ein kleines Feuer entzündete. Mit reichlich grünen Blättern und Zweigen sorgte sie für ein gerüttelt Maß an Qualm, der weithin sichtbar war. Dann machte sie sich auf den Weg, um ihre neue Heimat ein wenig zu erforschen. Mit Charlotte in ihrem Tuch fest an den Körper gebunden, wanderte sie gemächlich bis an das Ende der Bucht. Sah sich nach den Spuren anderer Menschen um – oder auch nach etwas Essbarem. Alte Feuer oder verlassene Lagerplätze fand sie nicht. Aber ein wenig Farn, Muscheln und sogar Kumara entdeckte ihr geübtes Auge an einem einzigen Nachmittag. Als David in der Dämmerung zu ihrem Lagerplatz zurückkehrte, köchelte in dem neu gekauften Topf bereits eine dicke Suppe mit all den Köstlichkeiten, die Anne im Laufe des Tages in die Hand gefallen waren. Er löffelte begeistert seine Schale leer. »Was immer das ist – daran kann ich mich gewöhnen.«
»Das musst du auch«, erklärte Anne mit einem schiefen Grinsen. »Denn das ist genau das Angebot, dass ich ohne Probleme und vor allem ohne auch nur eine
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