Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
steile Hügel, unzählige Buchten säumten den Fjord. Es sah unendlich friedlich und vor allem unglaublich einsam aus.
Anne drückte ihre Tochter enger an sich. »Was ist hier die nächste Ortschaft?«, wollte sie von ihrem Mann wissen. »Oder gibt es hier nichts, was diesen Namen verdienen würde?«
Der deutete nach vorn. »Dort liegt Picton. Wurde vor ein paar Jahren gegründet und ist wohl nicht mehr als ein Laden, um die wichtigsten Dinge einzukaufen – und natürlich eine Kneipe. Mehr finden wir dort sicher nicht. Keine Sorge – ein zweites Kororareka werden wir hier im Süden nicht antreffen. Auch wenn hier einige der Walfänger ihre Basis haben.« Er deutete zur Seite in eine der Buchten, die sich zu dem Fjord hin öffnete. »Wir sollten irgendwo hier bleiben. Uns abseits der Menschen einen Platz zum Leben suchen. Was denkst du darüber?«
»Das klingt wunderbar. Ich hatte mehr als genug Menschen um mich herum für den Rest meines Lebens – ich werde es genießen, wenn ich nicht ständig neue Gesichter sehen muss.« Sie lachte und deutete in eine der Buchten. »Sollen wir uns diese da nicht näher ansehen? Das sieht besonders schön aus!«
Wilcox nickte und winkte den Matrosen, in die Bucht hineinzusegeln. Als sie die enge Öffnung passiert hatten, erwartete sie eine weitere Überraschung: Die Bucht bestand aus zahlreichen weiteren kleinen Buchten, deren kleinen Strände sich wie eine Perlenkette aneinanderreihten. Wilcox strahlte. »Die Bucht der vielen Strände, wie mir scheint!« Er segelte nah an das Ufer und ließ dann Anker werfen.
Es dauerte nicht lange, und sie hatten festen Boden unter den Füßen. Die Hügel stiegen hier nur sanft an und waren mit einem dichten dunkelgrünen Teppich aus Buschwerk bedeckt. Der schmale Strand wirkte friedlich. Keine Spuren, die auf einen Menschen hinwiesen, nur wenig weißes Treibholz, das hier schon seit mehreren Menschengenerationen verwitterte. Anne drehte sich um ihre eigene Achse, um diese traumhafte Gegend genauer in Augenschein zu nehmen. Kurz entschlossen übergab sie Charlotte einem Matrosen, näherte sich vorsichtig dem Busch, drückte ein paar Äste auseinander und stapfte durchs Gestrüpp etwa hundert Meter nach oben zu einer Art Sattel zwischen zwei höheren Hügeln, den sie schon vom Meer aus gesehen hatte.
Dort angekommen, wandte sie sich um und verharrte, um den Anblick der Bucht und der Hügelketten, die sich bis an den Horizont hintereinanderreihten, zu genießen. Sie atmete langsam aus. Endlich. Hier konnte man ein Zuhause aufbauen und die Welt hinter sich lassen.
Als Wilcox sich langsam den Hügel emporgekämpft hatte, strahlte sie ihm entgegen. »Hier. Lass uns genau hier ein Stück Busch roden und ein Haus bauen. Es liegt weit genug vom Meer entfernt und auch hoch genug, um bei Springfluten und Winterstürmen nicht in Gefahr zu geraten. Und es liegt nah genug am Meer, um jeden Tag am Ufer zu sein und das Rauschen der Wellen zu genießen.« Sie deutete hinter sich in ein flaches Tal. »Und hier können wir roden und uns auf dem Stück Land eine echte Zukunft aufbauen! Was denkst du?«
Wilcox drehte sich um, sah auf das Meer hinunter und breitete dann seine Arme aus. »Wenn es dir hier gefällt, dann soll es hier sein. In der ›Bucht der vielen Strände‹ …« Er nahm sie in den Arm. »Wir müssen uns so schnell wie möglich eine Unterkunft bauen – vor dem Winter muss das Meiste schon stehen!«
Sie gingen wieder an den Strand, an dem die beiden zurückgebliebenen Matrosen mit Charlotte auf sie warteten. Sie sahen das Paar fragend an. Wilcox nickte ihnen zu. »Wir bleiben hier. Ich schlage vor, wir segeln noch gemeinsam nach Picton, ich kaufe ein wenig Verpflegung für uns ein – und ihr könnt dort bleiben und nach einem neuen Schiff schauen. Wir brechen sofort auf!«
Gemeinsam segelten sie die wenigen verbliebenen Meilen nach Picton, das sich tatsächlich als verschlafener kleiner Ort entpuppte. Weit entfernt von dem Trubel, der so typisch für Kororareka gewesen war, lagen hier nur vier Häuser in der Sonne – und das Einlaufen der Isabella sorgte für einigen Wirbel.
Als Anne in dem Kolonialwarenladen ihre Einkäufe zusammensuchte, wurde sie von dem Besitzer misstrauisch beäugt. »Weibsvolk haben wir hier im Süden eigentlich nicht!«, platzte es schließlich aus ihm heraus.
»Jetzt schon!«, grinste Anne und legte eine weitere Decke auf die Theke. »Wir wollen uns hier im Fjord ansiedeln. Aber keine Sorge – wir
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